In Erinnerung an damals setzte sie die rabenschwarze Komödie nun als Intendantin der Festspiele Reichenau auf den Spielplan. Und sie vollzog eine Staffelübergabe. Denn sie übertrug ihre einstige Rolle der Elaine Harper ihrer Tochter. Auch wenn das Family-Business in einem mit Steuergeld finanzierten Unternehmen die Grenzen des Anstands übersteigt: Paula Nocker ist hinreißend. Als Fräulein Schönbein lässt sie nichts anbrennen – und ihren Mortimer nicht mehr von der Angel.
Der Bräutigam, ein äußerst verdrossener Theaterkritiker, hat aber grad keinen Kopf für Zweisamkeit, sondern alle Hände voll zu tun, um seine beiden Tanten vor dem Zuchthaus zu bewahren. Denn in der Truhe liegt eine Leiche. Und sie ist nicht die einzige im Keller.
Weil dann auch noch der missratene Bruder Jonathan auftaucht und immer wieder die Dick-und-Doof-Polizisten hereinschneien, weil Bruder Teddy, der sich einbildet, US-Präsident Theodore Roosevelt zu sein, am liebsten in der Nacht zum Angriff bläst, gerät Claudius von Stolzmann ins Rotieren. Er ist ein richtiger Wirbelwind. Aber die Frisur hält.
Roland Koch, Happels Kollege am Burgtheater, geht es in seiner Inszenierung aber zunächst gemächlich an. Die Zeit braucht es durchaus. Denn Kesselring lässt den Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs ins Private schwappen – so nebenbei. Man findet es daher als Zuschauer auch gar nicht bedenklich, dass Abby und Martha Brewster mit Begeisterung ein ungeheuerliches Euthanasieprogramm verfolgen: Sie kredenzen vereinsamten Männern einen mit Arsen und anderen tödlichen Ingredienzen versetzten Holunderwein.
Spitzenhäubchen tragen die alten Jungfern keine: Elisabeth Augustin hat eher was von einem kühlen Vamp. Den Ton gibt jedoch die zierliche Therese Affolter an: quirlig, drahtig, aufgedreht. Wie ein Jungspund auf Speed. Man staunt, wie sie rauf- und runterwieselt.
Protzige Show-Treppe
Als Bühnenbild hätte man sich vielleicht ein pittoreskeres Knusperhäuschen gewünscht. Aber Thea Hoffmann-Axthelm nahm Anleihen beim strengen Looshaus von Payerbach (wenige Kilometer entfernt) – und lässt den riesigen Salon von einer protzigen Show-Treppe dominieren. Erwartbarerweise wird sie genutzt. Über die Maßen und mitunter zu aufgesetzt klamaukig.
Auf ihr hält Elias Eilinghoff als Teddy, der Adolf Hitler nicht unähnlich sieht, groteske Roosevelt-Kauderwelsch-Reden. Stefan Jürgens, unterfordert als superböser Verschnitt eines Frankenstein-Monsters, bewältigt die Stufen aufgrund eines steifen Beins galant im Hüpfen. Sein Hasenfuß-Vasall Dr. Einstein (Happels Mann Dirk Nocker), eine „Konifere“ der plastischen Chirurgie, kullert sie hinunter.
Rainer Friedrichsen erinnert als hölzerner Pastor an Riff-Raff, und Niko Lukic schwingt sich als Polizei-Chef in Batman-Uniform auf die Bühne. Der Superheld erblickte schließlich 1939 das Leben – just als Kesselring sein einzig bekanntes Stück schrieb. Und Nicolaus Hagg haut als Inspektor mit Begeisterung in die Tasten. Denn was wir auf der Bühne sehen, ist gerade eben seiner Fantasie entsprungen ...
Dass der Trip im Wahnsinn endet, ist nicht nur dem Holunderwein geschuldet.
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