Ferdinand von Schirach: „Social Media ist größte Gefährdung der Demokratie“

Ferdinand von Schirach spricht auf der Bühne.
Der Bestsellerautor Ferdinand von Schirach war zu Gast bei KURIER freizeit.live.

Das drängende Thema unserer Zeit sei Toleranz, und ja, eine gute Nachricht gibt es dazu auch: Die Welt ist toleranter geworden, und zwar durch die Trennung von Kirche und Staat. Am liebsten hätte er mit Voltaire darüber gesprochen, sagte der Jurist und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach am Samstag beim freizeit.live-Event in der Hofburg. In Ermangelung Voltaires (der Philosoph starb 1778) sprach Schirach mit freizeit-Chefredakteurin Marlene Auer und bot dabei eine mal launige, mal ernste Tour d’Horizon durch sein schriftstellerisches Schaffen, sein juristisches Verständnis („Jeder kann Straftäter werden“) und seine Befürchtungen, was Social Media und KI anbelangt. Und er offenbarte Überraschendes: Auf die Frage, was er als Schriftsteller von Emojis halte, antwortete er: „Wüsste ich, wie man sie verwendet, würde ich es dauernd tun.“

Erheiternd bis ernüchternd waren auch die Berichte des Autors, was seinen Alltag anbelangt: Dieser sei ziemlich langweilig, ein Tag gleiche dem anderen. Social Media benutze er nicht, denn dort herrsche „widerwärtige Sprache und Hass“. Was als Kommunikationsprojekt gestartet sei, habe sich mittlerweile zur „größten Gefährdung der Demokratie“ entwickelt. Weder hätte es den Brexit noch einen US-Präsidenten Trump ohne Social Media gegeben, sagte Schirach.

Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz sieht er differenziert: Als Jurist könne er der KI einiges abgewinnen, als Schriftsteller weniger. Für das Schreiben sei KI ungeeignet, er habe es ausprobiert. „Schreib mir eine Geschichte im Stil von Schirach“ habe er die KI angewiesen, die Ergebnisse seien „albern“ gewesen. Künstlerisches Schaffen beruhe auf Erfahrungen. KI könne Erfahrungen simulieren, aber nicht empfinden.

Worum es im Leben gehe, erklärte er anhand des Tennisspielers Gottfried von Cramm, dem eine Episode in Schirachs neuem Buch gewidmet ist. Dieser habe sich auch dann „anständig verhalten“, als keiner hingeschaut habe. Vorbildhaft. „Wir haben eine beschränkte Zeit auf der Welt. Davor und danach herrscht Dunkelheit. Wir sollten versuchen, die Welt ein kleines bisschen besser zu verlassen.“

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