Extremer Wahnsinn in diffuser Düsternis

Extremer Wahnsinn in diffuser Düsternis
Tschaikowskis „Pique Dame“ mit Asmik Grigorian an der Bayrischen Staatsoper in München.

von Helmut Christian Mayer

Düster, nebelverhangen ist die leere Bühne. Die Figuren erscheinen aus dem diffusen Nichts und verschwinden darin. Keine Sonne, kein Ballsaal, auch sonst nichts Erfreuliches, nur schäbige Plätze sind zu sehen: ein paar Spieltische zu Beginn und zum Ende, ein Parkplatz mit alten Autos, ein Bassin mit Wasser, in dem Hermann die Gräfin ertränkt, eine Brücke mit Laternen, ein Stripclub, alles nur angedeutet, minimalistisch ausgestattet. Hier scheint Realität und Halluzination zu verschwimmen.

So zeigen Regisseur Benedict Andrews und sein Bühnenbildner Rufus Didwiszus „Pique Dame“ von Peter Iljitsch Tschaikowski an der Bayrischen Staatsoper. Zeitlos und teils im Glitzerlook sind die Kostüme (Victoria Behr). Von diversen Filmen inspiriert, zeichnet der australische Regisseur eine tragische Geschichte im Gangstermilieu, eine Metapher auf die korrupte, ungleiche Gesellschaft und jene des Außenseiters Hermann. Er zeigt diesen als extremen Psychopathen, der exzessiv grimassierend stets mit einer Pistole herumfuchtelt, andere bedroht, sich diese wiederholt an die Schläfe setzt und sich letztlich damit erschießt. Er wird von Brandon Jovanovich mit intensiver Expressivität gespielt und gesungen.

Extremer Wahnsinn in diffuser Düsternis

Sitzende Choristen

Die anderen Protagonisten hat Andrews seltsamerweise mehrmals zum reinen Rampensingen verdonnert, der gut und homogen singende Chor ist überhaupt meist statisch inszeniert. Bei der Ballszene wird eine Tribüne hereingeschoben, auf der die sitzenden Choristen kollektive Armbewegungen machen müssen. Besonders darin stellt sich doch eine gewisse Langatmigkeit ein.

Für große Glaubhaftigkeit sorgt einmal mehr die großartige Singschauspielerin Asmik Grigorian als Lisa. Es erstaunt immer wieder, mit welcher Differenziertheit sie ihre Rollen szenisch wie auch stimmlich gestalten kann. Von feinsten Piani bis hin zu kraftvollen Ausbrüchen reicht ihre Palette, wobei sie immer klangschön singt. Sie ist auch bei den Umbauten als übergroße Projektion am Vorhang präsent und zündet dabei symbolhaft die Pik Dame Karte mit einem Feuerzeug an.

Bravos und Buhs

Violeta Urmana ist eine bühnenpräsente, würdevolle Gräfin, die bei ihrer letzten Todesszene mit Glatze fünffach gedoubelt wird. Boris Pinkhasovich singt den Fürst Jeletzki sehr edel und kann mit seiner eingängigen Arie „Ich liebe sie ohne Maß“ besonders punkten.

Victoria Karkacheva ist eine schöngefärbte Polina, Roman Burdenko ein kraftvoller Tomski. Die kleineren Partien sind makellos zu hören. Bei jedem Ton merkt man, dass der usbekische Dirigent Aziz Shokhakimov bei seinem Debüt am Haus eine besondere Affinität zu dieser Musik hat, die mit einigen Strichen, etwa ohne Ballett aufgeführt wird: Geheimnisvoll, seelenvoll, mit wunderbaren Farben und Piani, aber auch spannungsgeladen lässt er das Staatsorchester packend aufrauschen. Viel Applaus sowie Bravi für die Musik und einige Buhs für die Inszenierung.

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