Eine "Spielwarenfabrik" voller Panzer

Panzer wurden im Nibelungenwerk serienmäßig ab 1942 gefertigt – zunehmend durch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge.
Zwei Tage vor Kriegsende rollte der letzte Panzer aus dem damaligen Nibelungenwerk in St. Valentin – produziert von KZ-Häftlingen. Eine Doku beleuchtet dieses dunkle Kapitel.

St. Valentin kennen viele wohl nur vom Vorbeifahren. Die niederösterreichische Kleinstadt entlang der Weststrecke (Wien–Salzburg) ist vielleicht sogar einigen aufgrund der dort vom Band laufenden Traktoren der Marke Steyr bekannt. Kaum jemand weiß aber, dass sich in St. Valentin einst eines der drei größten Panzerwerke des „Dritten Reichs“ befand. Durch den massiven Einsatz von Arbeitskräften wurden hier unter unmenschlichen Bedingungen rund 5.000 Panzer für den Zweiten Weltkrieg gefertigt – unter dem perfiden Codenamen „Spielwarenfabrik“.

Genau diesem blinden wie dunklen Fleck der Geschichte nimmt sich nun ein von Thomas Hackl und Martina Hechenberger gestalteter Film an, der am Samstag, 6.Mai, um 20.15 in ORFIII zu sehen ist. Darin wird in 45 Minuten mithilfe von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Historikerinnen und Historikern die Geschichte der Panzer-Produktionsstätte im ehemaligen Nibelungenwerk beleuchtet, in der auch Häftlinge des KZ-Mauthausen-Außenlagers, das sich ab 1944 in St. Valentin befand, zwangsgearbeitet haben.

Eine "Spielwarenfabrik" voller Panzer

Die im Werk produzierten Panzer verlassen das Gelände.

Gegen das Vergessen

Die Produktion des Films inklusive Recherchen und Vorbereitungen waren „ein längerer Prozess und bedurfte einiger Besprechungen, dass wir auch am Firmengelände, jetzt im Besitz des Magna-Konzernes, drehen durften“, sagt Thomas Hackl. Natürlich habe man auch Archive durchforstet, wo man dann auch auf bisher unveröffentlichtes Filmmaterial gestoßen sei. So wurden zum Beispiel Aufnahmen vom Bau des Werkes gefunden, die bisher falsch archiviert waren. „Auch am Doku-Ende gibt es Aufnahmen gefangener deutscher Soldaten in Linz, welche in einem amerikanischen Archiv mit einer deutschen Stadt falsch beschriftet waren“, sagt Hackl.

Das Interesse an der Doku ist groß. Zur Premiere am Dienstag in St. Valentin kamen 800 Interessierte, die den Film sehen wollten. Sehr groß ist aber auch die Problematik des Verschwindens der Zeitzeugen. „Wir hatten nicht geglaubt, dass wir noch einige finden, welche uns außerordentlich interessante Informationen geben können“, so Hackl. Man wurde aber fündig – zum Beispiel mit den Brüdern Blatterer, welche von ihrem Wohnhaus auf der Rückseite des Werkes Sicht auf das KZ bzw. „Arbeitserziehunglsager“ hatten. Dass diese fürchterliche Geschichte nun Mittelpunkt einer Doku ist, freut Kerstin Suchan-Mayr, Bürgermeisterin von St. Valentin: „In einer Zeit, wo die menschenverachtenden und brutalen Vorgänge des Dritten Reichs immer mehr vergessen oder geleugnet werden, ist eine derartige Aufarbeitung wichtig.“

Eine "Spielwarenfabrik" voller Panzer

Adolf Hitler besucht das Werk

TV-Schwerpunkt zum Tag der Befreiung 

Anlässlich des Tags der Befreiung  (8. Mai 1945), an dem die bedingungslose Kapitulation aller Wehrmachtsteile  in Kraft trat und der 2. Weltkrieg in Europa beendete wurde, setzt ORFIII einen „zeit.geschichte“-Schwerpunkt mit zahlreichen Beiträgen. Den Beginn macht am 6. Mai "Codename: Spielwarenfabrik – Das Panzerwerk St. Valentin" (20,15, siehe dazu auch oben) der Film „Blutiger Boden, reiche Gewinne – Das Wirtschaftssystem der SS“ (21.05) von Andreas Kurz. Danach zeigt ORF III „Die letzten 100 Tage – Countdown zum Kriegsende“ (22.00).

Den Themenabend am 6. Mai beschließt der von Karin Schiller gestaltete Film „Österreichs braune Flecken – Die Aufarbeitung der NS-Zeit nach 1945“. 

Der Schwerpunkt geht am Sonntag mit der Übertragung der  Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (11.00) weiter.

Am Montag (8. Mai) stehen ab 8.55 Uhr zahlreiche themenaffine Dokus am Programm. Höhepunkt des Gedenktags am Montag ist das Fest der Freude, das vom Wiener Heldenplatz übertragen wird (ab 19.40). Danach im Konzert: Konstantin Wecker mit den Wiener Symphonikern. 
 

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