Primaballerina begeistert im Brut: Tänzerisch dem Alter trotzen

Von: Marie-Sarah Drugowitsch
Doris Uhlich, die international erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete Choreografin der heimischen Tanzperformance-Szene, zeigt zum dritten Mal ein Stück gemeinsam mit der heute über 80-jährigen Susanne Kirnbauer-Bundy. Die ehemals prima Ballerina der Wiener Staatsoper steht in „Come Back Again“ noch einmal im Rampenlicht.
Der Abend ist von Gegensätzen, klassischem und modernem Tanz, Jung und Alt, bestimmt, die zu einer von Empathie geprägten Symbiose gebracht werden. Die Tanzwelten der beiden Darstellerinnen könnten nicht unterschiedlicher sein, vom hierarchischen Ballett, in dem körperliche Perfektion zentral ist und Widerstand in jeglichen Probeprozessen unerwünscht, zu freien Performances, die die Individualität von Körpern und das Hinterfragen von Konventionen zelebrieren. Was beide Frauen eint, ist die Faszination für den Tanz. Genau das wird an diesem berührenden Abend auch zum Ausdruck gebracht!
Kirnbauer-Bundy, die trotz ihres Alters nichts an Charisma und Bühnenpräsenz eingebüßt hat, betritt die Bühne, in deren Mitte ein Stuhl steht, um sich in vollkommener Stille gegenüber dem Publikum zu platzieren. Sie beginnt sitzend mit einem Solo, zeigt typische Bewegungen des klassischen Tanzes, wie das Dribbeln auf Zehenspitzen, diverse Fußpositionen (erste und zweite), wobei sie keine Ballettschuhe, sondern Sneaker trägt. Aber auch Port de bras, die typischen akademischen Armstellungen, führt sie durch. Der Stuhl weicht in Folge einer Ballettstange, die sie zunächst senkrecht hält, was fast wehrhaft wirkt (wie ein Speer) und den eigentlichen Zweck, das tägliche Training an der Stange, konterkariert.

Nach diesen, für eine ältere Frau physisch doch herausfordernden Passagen, löst ein kurzes Schnaufen Kirnbauer-Bundys Gelächter im Saal aus, am Ende wird sie versichern, damals auf der Staatsopern-Bühne hätte sie das Publikum nie atmen gehört. Sie schlüpft zeitweise auch in die Rolle der Ballettmeisterin, schreit sich selbst Korrekturen wie „Jump, higher“ oder „Turn, quicker“ zu.
Der erst in der Hälfte des Stücks stattfindende Auftritt Uhlichs passiert ganz unaufgeregt, von der Seite. Die beiden Frauen tanzen gemeinsam zu Elektro-Beats von Boris Kopeinig. Uhlich gibt als Choreografin die Bewegungen vor, die einer modernen Tanzsprache entnommen sind, Kirnbauer-Bundy ahmt diese nach. Der Umgang der beiden Frauen miteinander ist dabei ein liebevoller, fürsorglicher, der das verbindende Glied, die Freude am (gemeinsamen) Tanzen, spürbar macht.
Im rosa Pelzmantel
In dem Stück wird allgemein ein neuer Umgang mit der Ballettwelt entnommenen Objekten gefunden, so zieht sich Kirnbauer-Bundy die Strumpfhose (auch Collant genannt) über die Arme, die so zu ihren Füßen mutieren, und imitiert damit die Bewegungen der Beine, Tänzer bezeichnen dies als markieren, um sich Übungen oder Choreografien einzuprägen.
Es wird mit einer metaphorischen Bewegungssprache gearbeitet, die durch Requisiten starke Bilder schafft. Beide Darstellerinnen sind sich jedoch einig: „Eigentlich hasse ich Requisiten.“ So wird auch die Farbe Rosa, die mit dem klassischen Tanz konnotiert ist, aufgenommen. Uhlich rollt einen rosa Teppich für Kirnbauer-Bundy aus, über den diese, in einen rosa Pelzmantel gehüllt, schreitet, im Anschluss daran schlüpft sie in ein überdimensioniertes Tutu. Nach der Pose des sterbenden Schwans aus „Schwanensee“ zündet sie sich vollkommen gelassen eine Zigarette an, während es aus dem abgelegten Tutu zu qualmen beginnt.
„Come Back Again“ behandelt nicht nur das Verhältnis von Ballett und zeitgenössischem Tanz, sondern auch das (Tabu-)Thema des Älterwerdens, vor allem des weiblichen Körpers, der keinen Platz mehr auf den großen Ballettbühnen hat. Doris Uhlich und Susanne Kirnbauer-Bundy zeigen im Gegensatz dazu auf, zu welchen faszinierenden künstlerischen Darstellungsformen der Drang nach Bewegung und der Wille, auf der Bühne zu stehen, führen kann. Der Anspruch besteht nicht mehr darin, das Ballettvokabular zu perfektionieren, sondern einen anderen performativen Ausdruck zu finden, um aufzuzeigen, was der (klassischen) Tanzwelt durch das Bewahren von wortwörtlich veralteten Konventionen entgeht.
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