Die Kinostarts: Suchende Frauen, singende Männer und Kritik am Kapital
- Hier lesen Sie die Kritiken zu "Der unverhoffte Charme des Geldes", "Fisherman's Friends", "Und wer nimmt den Hund?" und "So wie du mich willst". Autorin der Kritiken ist Gabriele Flossmann.
- Zwei der wichtigsten Stars der Kinowoche haben wir interviewt: Juliette Binoche spricht über die Suche nach Liebe und die "Unsichtbarkeit" älterer Frauen. Und Martina Gedeck über die betrogene Frau als eigentliche Gewinnerin.
Der unverhoffte Charme des Geldes: Reichtum kann glücklich machen.
Intelligente Menschen werden weder reich noch berühmt. Davon ist Pierre-Paul überzeugt. Mit dem Enthusiasmus eines frustrierten Intellektuellen erklärt er seiner Freundin in einer Mittagspause die Welt: Die Dummen haben Erfolg, weil sie nicht an sich selbst (ver)zweifeln. Der junge Mann, der einen Doktortitel in Philosophie hat, muss sich dagegen mit einem schlecht bezahlten Job als Paket-Bote „zufrieden“ geben.
Der kanadische Schauspieler Alexandre Landry gibt diesen Pierre-Paul mit einem Charme und einer neurotischen Verwirrtheit, die an den jungen Woody Allen erinnern. Seine Freundin hat trotzdem genug – und lässt ihn mitten in einem seiner weltverschlechternden Monologe sitzen. Pierre-Paul mag ein grantiger Grübler sein, doch er hat ein gutes Herz. Ehrenamtlich engagiert er sich für Obdachlose, und für Bettler hat er immer etwas Kleingeld in der Tasche.
Zufällig parkt er eines Tages mit dem Lieferwagen vor einem Mafia-Lokal. Drinnen findet gerade ein Überfall statt. Schüsse fallen. Die Einbrecher scheinen tot zu sein.
Und vor Pierre-Pauls Füßen landen zwei Reisetaschen, vollgestopft mit Geldscheinen. Wenn die Scheine nicht trügen, dann handelt es sich dabei um Millionen. Ein schneller Griff. Die Taschen sind im Lieferwagen.
Was tun mit dem Geld? Zurückgeben? Behalten? Verprassen? Oder etwas Soziales damit tun? Pierre-Paul entscheidet sich für Letzteres. Davor aber gönnt sich der Kopfmensch etwas für den Körper. Denn einer der schönen Nebeneffekte des Geldes ist: Er kann sich die Edelprostituierte Camille leisten.
Der kanadische Oscar-Preisträger Denys Arcand, dessen Filme oft um Linksintellektuelle in Montréal kreisen, hat mit seiner als Kapitalismus-Kritik angelegten Krimikomödie den alten Robin Hood-Mythos mit dem Brecht-Diktum gekreuzt, wonach ein Bankraub der Gründung einer Bank moralisch vorzuziehen sei.
Verfolgt von Mafiosi und Polizisten, versucht der überzeugte Humanist, die Mechanismen des von ihm verachteten Kapitalismus zu nutzen, um seinen Reichtum zu retten. Mithilfe eines genialen, aber leider (?) kriminellen Finanzjongleurs und eines Investmentbankers der High Society, der das Schwarzgeld weißwaschen soll. Arcand konfrontiert das Publikum anhand der Tatsache, dass sich Pierre-Paul illegal Mafia(!)-Geld angeeignet hat, mit (s)einer eigenen Ansicht von Moral: „Verbrechen ja, aber keine Opfer.“ Jedenfalls ist man als Publikum auf der Seite von Pierre-Paul. In der Hoffnung, dass er seine Umverteilungs-Utopie durchziehen kann. Schließlich betrügt er ja nur Betrüger. Man verzeiht, dass dieser gut inszenierten und gut gespielten Krimikomödie mittendrin einmal kurz die Luft ausgeht.
"Fisherman's Friends": Vom Fischkutter in die Charts
Nach Coldplay und Beyoncé hat auch er seinen großen Auftritt: ein Fischerchor aus Cornwall. Die Erfolgsgeschichte der „Fisherman’s Friends“, die in ihrem Heimatdorf jeden Freitag für Bewohner und Touristen sangen und 2010 „entdeckt“ wurden, mag wie ein Märchen erscheinen, ist aber wahr. Ein Männerchor, der mit alten Shanty-Songs auf Platz 9 der Charts landet, ist jedenfalls zu gut, um nicht ins Kino zu kommen.
„Schuld“ am Erfolg – so erzählt der Film – ist der Londoner Musikmanager Danny. Ein Junggesellenwochenende hatte ihn in das Fischerdorf verschlagen. Eigentlich war es zunächst nur ein Scherz, als einer von Dannys Freunden vorschlägt, die singenden Fischer groß herauszubringen.
Dass sich die Männer nicht von Geld und Ruhm locken lassen, stachelt seinen Ehrgeiz an. Es folgen einige Klischees von überdrehten Castingshows, einem bärbeißigen Chorleiter und zynischen Medienmanagern – und eine überflüssige Romanze. Aber wie meinte John Lennon, den Danny im Film zitiert: „Ein Traum, den man alleine träumt, ist nur ein Traum. Ein Traum, den man zusammen träumt, ist Wirklichkeit.“ Und gemeinsam träumen kann man am besten im Kino.
Und wer nimmt den Hund: Liebe – Ehe – Paartherapie
Menschen, die eine vertrauensvolle Beziehung zu ihrem Hund pflegen, kommen besser mit ihrem Lebenspartner zurecht. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie aus den USA, die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren untersucht hat. Was aus der Studie nicht hervorgeht, ist die Antwort auf die Frage: „Und wer nimmt den Hund?“ Was tun mit ihm, wenn die Beziehung flöten geht? Damit setzt sich nun diese bitterböse Scheidungskomödie auseinander.
Seit mehr als 20 Jahren sind Doris und Georg verheiratet. Eines Morgens gesteht er beim Frühstück einen Seitensprung. Doris weiß, dass ihr Gatte kein Einzelfall ist, wenn er in schönster Midlife-Crisis-Manier ein Verhältnis mit einer 30 Jahre jüngeren Studentin anfängt. Doris setzt sich daraufhin ins Auto ihres Mannes, gibt Gas und fährt gegen das Garagentor. Mehrmals. Danach sitzt sie mit ihrem Mann vor der Therapeutin und sortiert die Scherben ihrer Ehe.
Die Paartherapie ist das Herzstück des Films. Doris flüchtet sich in Tatendrang. Auch sie will einen „Neuen“. Und eine eigene Firma. Seinen Spaß hat man als Publikum, weil Darstellerin und Darsteller keine Hemmungen kennen. Es gibt pointierte Dialoge, aber leider auch Klischees und Klamauk. Und wer nimmt nun den Hund?
So wie du mich willst: Online-Romance mit einem wesentlich jüngeren Mann
„Es gibt keine schlimmere Rivalin, als die, die nicht existiert.“ Auf diesen Nenner könnte man den Film bringen, in dem Juliette Binoche mit ihrem selbst geschaffenen Facebook-Phantom konkurriert. Sie spielt Claire, die Mutter zweier Söhne, die von ihrem Mann verlassen wurde. Wegen einer Jüngeren.
Sie tröstet sich mit einer Affäre. Mit Ludo, einem ebenfalls jüngeren Mann. Dieser schaut aber nur zu Sex-Dates vorbei und wimmelt sie am Telefon ab, wenn er sich mit Gleichaltrigen vergnügt. Was macht die moderne Frau? Sie sucht ihr Glück online.
Um Ludo nah sein zu können, sucht Claire via Facebook Kontakt zu dessen Mitbewohner Alex. Mit einem Fake-Profil unter dem Namen Clara – geboren 1993. Das Foto ihrer 24-jährigen Nichte gibt sie als ihr eigenes aus. Aus den Chats wird eine scheinbar große Liebe. Das grüne Licht, das anzeigt, dass Alex online ist, wird für Claire zur Droge. Schließlich dringt Alex auf ein Treffen in der realen Welt. Claire willigt ein.
Als aber der junge Mann direkt vor ihr steht, schaut er an ihr vorbei, weil er nach einer 24-Jährigen sucht. Dank überraschender Wendungen und dank der großartigen Hauptdarstellerin vermag der Film zu fesseln.
Kommentare