Die Filmkritiken der Woche: Die Addams Family ist wieder da
Der Film der Woche ist natürlich der Terminato: Die Kritik zu Arnold Schwarzeneggers Comeback-Film finden Sie hier.
Was sonst noch anläuft? Hier sind alle anderen Kritiken der Woche.
After The Wedding: Aus Mads wird Michelle
Wer als Schauspieler oder als Schauspielerin nach einem Oscar schielt, tut gut darin, im Kino zu weinen – oder zumindest große Gefühle zu zeigen. In emotionalen, sogenannten „Oscar-Szenen“ enthüllt sich exzellente Schauspielkunst, die von der Academy belohnt wird und das Publikum nach dem Taschentuch nesteln lässt.
„After the Wedding“ fällt in die tränenreiche Kategorie Rührstück, steht mit einem Bein in der Telenovela und bietet allen Beteiligten reichlich Gelegenheit, gefühlvollen Nuancenreichtum zu beweisen. Für die beiden Hauptdarstellerinnen Julianne Moore und Michelle Williams kein Problem, nachdem es sich bei beiden um Meisterinnen des Dramen-Repertoires handelt.
Michelle Williams als Isabel hat allerdings die bei weitem tranigere Rolle ausgefasst als ihre Kollegin Julianne Moore als Theresa: Moores Ehemann Bart Freundlich übernahm die Regie und lässt vor allem seine Frau in schillernden Farben glänzen.
Das gelingt ihm auch deswegen so gut, weil er das Remake von Susanne Biers dänischem Drama einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. In Biers Original stehen zwei Männer – darunter Mads Mikkelsen – im Mittelpunkt, während in der US-Neuversion zwei Frauen einen familiären Konflikt austragen müssen.
Zähneknirschend
Aus Mads wurde Michelle, die als Isabel in Kalkutta lebt, dort ein Waisenhaus leitet und mit ihren Schützlingen im Schneidersitz meditiert. Ihre esoterische Beschaulichkeit hat ein Ende, als sie nach New York beordert wird. Dort winkt die mega-reiche Firmenchefin Theresa mit einer Millionenspende, sollte Isabel sie von ihrem Projekt überzeugen können.
Isabel fliegt also zähneknirschend nach New York – und ab dann setzt Bart Freundlich alles daran, um die gegensätzlichen Milieus – hier das arme, in kitschig warme Farben getauchte Indien, dort das superreiche, kühl-graue Manhattan – möglichst plakativ und veredelt in Szene zu setzen.
Julianne Moore fegt in tollen Designer-Klamotten durch die Chefetage, während Michelle Williams als bescheidene Isabel immer den gleichen Baumwollkittel trägt und bei jeder Gelegenheit ihre Schuhe von den Füßen schleudert.
Beide Frauen und ihre Lebensentwürfe könnten unterschiedlicher nicht sein. Zu allem Überfluss verlangt Theresa von Isabel, dass sie an der Hochzeit ihrer Tochter teilnimmt – „damit wir uns besser kennen lernen“.
Isabel kommt nur ungern zur Feier und macht ein Gesicht, als müsste sie sich jede Minute übergeben. Umso mehr, als sie Theresas Ehemann erblickt.
Ab dann herrscht Familientragödie mit großem Spoiler-Alarm. Die Zuseherfreuden speisen sich nämlich zu großen Teilen von den Überraschungen, die die (reichlich konstruierten) Handlungsschwenks mit sich bringen. Und von dem Spiel der Hauptdarstellerinnen. Diese waten durch zähflüssig inszenierte Bilder und liefern Oscar-reife Leistungen in einem mittelmäßigen Film. Taschentuch nicht vergessen.
INFO: USA 2019. 112 Min. Von Bart Freundlich. Mit Julianne Moore, Michelle Williams, Billy Crudup.
Filmkritik zu "Ab heute sind wir ehrlich": Schlitzohrige Bevölkerung
In einer sizilianischen Kleinstadt herrscht ein düsteres Bild von den sprichwörtlichen „italienischen Verhältnissen“: Der Verkehr ist ungeregelt, überall wird hysterisch gehupt, Hunde kacken auf den Gehsteig und der Bürgermeister, dessen Grinser verdächtig an Silvio Berlusconi erinnert, erteilt Baugenehmigungen nur denjenigen, mit denen er befreundet ist – oder verwandt.
Es wird Zeit für Veränderung. Ein neuer Bürgermeister wird gewählt – und siehe da, er ist ehrlich.
Zuerst ist die Bevölkerung begeistert, dann beleidigt. Wie bitte? Wer falsch parkt, muss Strafe zahlen? Nimm ein Sackerl für dein Gackerl? Mülltrennung? Die Polizisten in Uniform meinen es Ernst und gehen nicht auf ein Faschingsfest?
Das sizilianische Komiker-Duo Salvo Ficarra und Valentino Picone inszenierte sich selbst in der Hauptrolle einer deftigen Polit-Satire mit Hang zum Klamauk. Als schlitzohriges Brüderpaar, das den neuen Bürgermeister zu Fall bringen will, bleiben sie zwar ziemlich stereotyp, lieferten aber in Italien einen Kinohit.
INFO: IT 2017. 92 Min. Von und mit Salvo Ficarra und Valentino Picone.
Filmkritik zu "Die Addams Family": Die wahren Monster sind die Normalbürger
Der Schauplatz des Films lässt Liebenswert-Schauerliches ahnen. Denn die exzentrischen Bewohner des düster-verwinkelten Hauses mögen alles Morbide und Makabre und sind somit ein kompletter Gegenentwurf zum Idealbild der typisch amerikanischen Kleinfamilie.
Die Addams sind ein regelrechter Clan, bei ihnen ist immer etwas los: Vater Gomez, Mutter Morticia, ihre unkonventionellen Kinder Wednesday und Pugsley, die Großmutter und Onkel. Alles in Allem sind sie so richtig herzige Widerlinge. Was sie so attraktiv macht, ist der Kontrast zwischen ihrem gruseligen Erscheinungsbild und der Süße ihrer Familienidylle.
Addams Family
Der Schöpfer der Familie, Charles Addams, hatte schon 1938 mit der Kreation seiner makabren Charaktere begonnen und seine Cartoons in den 1960er Jahren in eine TV-Serie umgewandelt. Es folgten erfolgreiche Verfilmungen, in denen der Addams-Clan mit menschlichen Darstellern besetzt war. Dass die Monster-Family nun wieder in einer Cartoon-Version ins Kino kommt, noch dazu ausgestattet mit allen Tricks der heutigen Computer-Animationstechnik, schraubt die Erwartungen hoch. Und es gibt auch tatsächlich etliche Lichtblicke, die der Film visuell zu bieten hat.
Dazwischen zieht jedoch die unoriginelle Handlung das Ganze wieder in die Tiefen einer eher lauwarmen Unterhaltung. Denn die Story, die lediglich darauf basiert, dass die wahren Monster die sogenannten „Normalbürger“ sind, und nicht die verhaltensoriginellen Außenseiter, ist zu dünn für eine Spielfilmdauer.
Zu Beginn sieht man, wie Morticia das aschfahle Make-up für ihre Mitternachtshochzeit anlegt, unterbrochen von wütenden Nachbarn mit Fackeln und Heugabeln, die Leute, die sie für verrückte halten, aus der Stadt werfen wollen.
Sie suchen und finden ein neues Zuhause. Dreizehn Jahre später kommen sie zu einem Familientreffen zurück und müssen sich gegen einen raffgierigen TV-Moderator zur Wehr setzen, der auf ganz „normale“ Art noch verrückter ist als die ganze Addams-Family zusammen.
Kinder werden die verkehrte Welt genießen - in der das Abstauben des Hauses bedeutet, es staubiger zu machen. Aber die kleinen Kinobesucher werden verstehen, dass die lobenswerte Botschaft des Films - jeden so zu akzeptieren, wie er ist - noch lieber gesehen und gehört würde, wenn das Drumherum etwas mehr fetzen würde.
Text: Gabriele Flossmann
INFO: GB/CAN/USA 2019. 86 Min. Von Greg Tiernan und Conrad Vernon.
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