Die Albertina Modern zeigt im Souterrain des runderneuerten Gebäudes einige der schönsten Blätter aus der grafischen Sammlung
04.05.22, 05:00
„Die Albertina Modern ist das einzige Museum in Österreich, das in einer permanenten Schausammlung die österreichische Kunstgeschichte der letzten 80 Jahre zeigt“, heißt es auf der Website der Institution. Vor der Eröffnung des Hauses 2020 wurden das Publikum und die Presse mit dieser Botschaft sozusagen geimpft und mehrfach geboostert.
Warum nun eine Ausstellung zu Gustav Klimt zu sehen ist, erschließt sich also zunächst nicht – wurde Klimt doch 1862, vor zwei Mal 80 Jahren, geboren, und verstarb bereits 1918. Auf Nachfrage beschwört der Pressesprecher den Genius Loci – brach Klimt doch 1897 mit der hier ansässigen Künstlerhausvereinigung, um mit Mitstreitern die Secession zu gründen. „Erst jetzt“ kehre er zurück – allerdings in Räume, die nicht mehr der Künstlerhausvereinigung gehören (die Geschichte ist im KURIER-Archiv nachzulesen).
Aber gegen eine Gustav-Klimt-Zeichnungsschau ist natürlich nichts einzuwenden – zumal die Albertina einige der bemerkenswertesten Blätter besitzt, die der Erneuerer der Wiener Moderne schuf. Die Schau breitet den Schatz nach Werkphasen aus, umfasst also die frühen, dem Ringstraßen-Stil verpflichteten Entwürfe, geht zu den flächig-ornamentalen Blättern der Secession und weiter zu Studien für Klimts berühmte Damenporträts.
Über die Frage, ob Klimt sich wie Schiele als Zeichner sah oder das Papier nur als Vorbereitung für die Malerei betrachtete, können Fachleute diskutieren – Fakt ist, dass Klimts Zeichnungen überwiegend in Zusammenhang mit Gemälden entstanden. Ausnahmen sind in der Schau eine Reihe erotischer Blätter.
Hier Querverbindungen zu entdecken, macht Spaß: Denn auch in sexuell weniger expliziten Studien zu Deckengemälden probierte Klimt früh extreme Untersichten und zeigte Körper in Verzerrung: Erotik oder Formalismus geben sich hier die Hand.
Klimt dürfte insgesamt ein nicht allzu verkopfter Typ gewesen sein, was aber bis heute gern pathetisch überhöht wird: Wenn etwa im Wandtext steht, dass „die erotische Thematik für Klimt den Kern des Lebensmythos darstellt“, dann klingt das, als seien in 80 Jahren keine neuen Interpretationsansätze ins Land gezogen. Man dürfte die tollen Blätter also ruhig etwas frecher befragen.
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