Zwei Künstler, zwei Gitarren. Viel mehr braucht es nicht, um ein Publikum eineinhalb Stunden zu unterhalten. Und einen Licht- und einen Tontechniker. Die bekamen sogar Zwischenapplaus, als Ernst Molden und der Nino aus Wien am Sonntagabend endlich im Wiener Rabenhof auftreten konnten.
Die auftrittslose Zeit hat den Blick für das Drumherum geschärft. Nichts ist mehr so selbstverständlich, auch nicht das Konzert der beiden Wiener Liedermacher, die ihr neues Album „Zirkus“ nun live präsentieren konnten.
„Zirkus“ ist der Soundtrack für Harald Aues Kinodoku „Ein Clown, ein Leben“ über Roncalli-Gründer Bernhard Paul. Auch der Film lief pandemiebedingt noch nicht vor Publikum. Ursprünglich waren dafür weitere Austropop-Coverversionen vorgesehen. Dass sie das können, hatten Molden und Nino schon 2015 mit ihrem Album „Unser Österreich“ gezeigt. Nun haben die beiden erstmals gemeinsam eigene Dialektlieder geschrieben, und, was soll man sagen: Es sind Lieder dabei, die bleiben werden.
Aufbruch
Der Abend begann mit dem melancholischen „Losfoan“, einem „Aufbruchslied“, wie Molden sagte. „Aufstehn, Aunziagn, Losfoan in da Frua, is olles wos i moch“. Und bald danach macht es „Flinker, Flunker, jo, do kummt er“ und der Zirkus ist wieder in der Stadt - im verspielt-fröhlichen Song „Zirkusmusik“.
Bewusst wurde auf opulente, an echte Zirkusmusik erinnernde, Instrumentierung verzichtet. Das stört auch live im Rabenhof keine Sekunde. Denn die Bilder - und die Zirkusmusik - entstehen im Kopf. Außerdem holen die beiden aus ihren Gitarren - Nino aus der akustischen, Molden aus der elektrischen - so viele Nuancen heraus, dass es eine kindliche, aber auch tiefsinnige Freude macht.
Etwa, wenn „da Kenig“ sagt: „Im Himmel sei Fuaßbodn is der Höll ihr Plafond / und i mags ned koit, sondern woam“.
Geschichten
Das Lied „König“ ist Bernhard Paul gewidmet, erzählte Molden. Geschrieben habe er es in der Früh - nach einem langen gemeinsamen Abend mit dem Zirkusgründer, der erst um halb vier geendet habe. Er habe danach halt nicht einschlafen können.
Molden und Nino erzählten zu jedem Lied eine Geschichte. Etwa vom Nashorn, das einst bei "Artisten, Tiere, Attraktionen" in der Wiener Stadthalle seine Kreise zog. Auf dem Nashorn sei ein Tiger gestanden, ständig nur herumbrüllend. Ein trauriges Bild. Die beiden fanden auch zu dieser problematischen Thematik einen erfrischenden Zugang, mit dem Lied: "Mir gengan'd Viecher o". Und das in einem Film über einen Zirkus, der traditionell auf Tiere verzichtet.
Eine Coverversion findet sich auch auf dem Album: „I siach wos finsdas“ - eine großartige Übertragung von Will Oldhams „I See A Darkness“ ins Wienerische. An dem Lied hatten sich auch schon Bonnie Prince Billy und Johnny Cash abgearbeitet.
Wenn wir schon bei den großen Namen sind: Auch Bob Dylan wurde am Vorabend zu seinem 80. Geburtstag mit zwei Songs gewürdigt: Einerseits Moldens Übersetzung von „The Times They Are a-Changing“ in „Die Zeiten tan si ändern“. Und Nino spaziert, so wie Dylan in „Simple Twist Of Fate“ New York erkundet, durch sein Wien: in „Der Mai ist vorbei“.
Zugaben
An anderer Stelle leitete Nino mit seinem bekannt lapidaren Witz über: „Es ist eigentlich kein langes Lied. Aber es wirkt lang, weil so viele Wörter drin vorkommen.“
Zum Beispiel ein "Weinen aus den Steinen".
Das von Nino solo gesungene, höchst poetische Lied entführt ins „Café der Artisten“, wo man immer auf Zugaben wartet.
Die gab es auch im Rabenhof. Zum Abschluss den für heutige Ohren mit einem unerhörten Text ausgestatteten Danzerschen „Vorstadtcasanova“.
Nicht nur das erinnert an die Zeit vor der Pandemie. Molden hofft, „dass die Masken bald wieder fallen“.
Das Publikum hat die notwendigen Bürden geduldig ertragen. Man hatte sich zuvor zur 3-G- und Ausweiskontrolle angestellt, seine Plätze im Schachbrettmuster eingenommen. Aber dennoch wurde unter den FFP2-Masken gejubelt, ausgiebig applaudiert. Es war eine Freude.
Vertrauen
"Warat i a Clown, hätt’ i ka Vertrauen in de Wöd, vor mein Zöt“ sang Molden.
Das Vertrauen in die Welt steigt wieder, man darf auch wieder ins symbolische Zelt hinein.
Rabenhof-Chef Thomas Gratzer trat vor dem Konzert vors Publikum. Wenn das ein Direktor vor der Vorstellung tue, bedeute das meistens nichts Gutes, sagte er. In diesem Fall wollte er einfach nur ein „Danke“ aussprechen, „danke, dass Sie der Unterhaltungsbranche eine Chance geben.“
Es ist nicht selbstverständlich, jetzt schon die Bühnenhäuser aufzusuchen. Aber es ist mehr als angebracht, wenn etwa eine Kombination wie Molden und Nino am Werk ist. Mit viel Herzblut und Witz, aber keinem Gramm Schmalz zu viel, ergänzen einander die beiden Liedermacher auf glückhafte Weise.
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