Wie das „Kanu des Manitu" die Shitstorms umschifft

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Bisher hat Bully Herbigs Klamaukhit-Sequel "Das Kanu des Manitu" nur gefälschtes Cancelling erfahren. Der Film tut auch viel dafür, nicht anzuecken.

„Wir nehmen den Film „Kanu des Manitou“ (sic!) aus unserem Programm. Er ist eine kulturelle Aneignung und nicht mehr zeitgemäß. Wir entschuldigen uns für eventuelle emotionale Verletzungen, die bereits durch den Trailer oder das bloße Lesen des Filmtitels entstanden sind. Unser Haus versteht sich als sicherer Raum, in dem weder Humor von 2001 noch unbeaufsichtigte Pointen geduldet werden.“ Dieses Mini-Manifest eines „FilmPalast24“ mitsamt rotem „Abgesetzt“-Stempel geisterte am Starttag der „Schuh des Manitu“-Fortsetzung durch die Sozialen Netzwerke. Schnell war klar: Das ist eine Fälschung.

Aber wie das so ist im Internet: Diese Erkenntnis ändert wenig. Der Zorn derer, die sich das Lachen nicht verbieten lassen wollen, wallt schnell auf und legt sich nicht einfach wegen Nebensächlichkeiten wie Fakten. Dabei hat zum Beispiel die „Krone“ ihre Kritik des neuen Films von Michael Bully Herbig erleichtert mit „Keine Angst vor dem Shitstorm“ betitelt. Entwarnung also?

Das I-Wort

„Der Schuh des Manitu“ war 2001 ein Flachwitzfilmhit, der Besucherrekorde aufstellte. Ganze 24 Jahre hat es gedauert, bis nun mit dem „Kanu des Manitu“ ein Sequel ins Kino gekommen ist. Dazwischen lag eine Phase der Neubewertung: Das I-Wort ist verpönt wie das N-Wort, sich als Indigene zu verkleiden, gilt als kulturelle Aneignung und auch der Pointengarant aus dem ersten Teil, Abahachis rosa Zwillingsbruder Winnetouch, wurde von manchen als homophob eingeschätzt.

In einem Interview mit dem Spiegel hat sich Michael Herbig ein wenig in die Karten schauen lassen. Als er das Projekt vor zwei Jahren angekündigt hatte, sei die Reaktion auf Social Media noch gemischt gewesen: „Da wurde es von rund 65 Prozent der Leute gefeiert, 15 Prozent waren skeptisch, und 20 Prozent haben einen dicken Hals bekommen: Jetzt kommen die drei alten weißen Männer daher und fabrizieren wieder ihre homophobe, rassistische Scheiße. Keiner wusste, was wir vorhatten, aber es gab erst mal den üblichen Beißreflex.“ Warten hat sich ausgezahlt: Nun würden sich laut Herbig 95 Prozent der Menschen freuen, „einmal richtig abtauchen zu können.“

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... zum anderen Jessica Schwarz als Gaunerbandenschefin.

Debatte war gereizter

Vor drei Jahren wurde die Debatte auch noch hitziger geführt – Stichwort vom Markt genommene „Winnetou“-Kinderbücher. Und auch Bully Herbig nahm noch gereizter an ihr teil. In einer Talkshow sprach er von „Comedypolizei“ und fürchtete sich vor Listen von Themen, über die es noch erlaubt sei, Witze zu machen. Aber anders als etwa Kabarettistin Monika Gruber, die sich nach wie vor als vehemente Soldatin an der Front zu „Wokistan“ präsentiert, hat Herbig (mit seinen Co-Autoren Rick Kavanian und Christian Tramitz) sich für einen anderen, recht gerissenen Weg entschieden. Und die Debatte ins Boot, also ins „Kanu“ geholt.

Der neue Film ist zeitgemäßer gecastet: Es gibt jetzt immerhin zwei Frauenrollen. Die Gaunerbande ist divers nach dem Lehrbuch: ein Schwarzer, ein Asiate, ein Behinderter und ein Dicker. Den einzig wirklich unlustig-geschmacklosen Witz über Minderheiten macht Tutty Tran, ein Comedian, der sich eine Karriere damit aufgebaut hat, sich über den unverständlichen vietnamesischen Akzent seines Vaters lustig zu machen. Womöglich unfreiwillig gibt es durch den nun zum fiesen Ölbaron gewordenen Santa Maria einen hochpolitischen Brückenschlag in die gegenwärtige Realität: Öffnet doch die Trump-Regierung bisher geschütztes Reservatsland für den Erdölabbau. In der allerersten Minute des Films gibt es einen selbstironischen Gag über den „alten, weißen Mann“. Und Abahachi merkt nicht nur einmal an: „Bitte sog ned Indianer“.

Das hat einen Grund, und zwar den, mit dem sich Bully selbst am Ende des Films eine Art Freispruch von der kulturellen Aneignung herbeiinszeniert und damit eine im Blödelfilm unerwartete Metaebene öffnet. Zu viel sei darüber nicht verraten, aber eine Gruppe tatsächlicher amerikanischer Ureinwohner spielt dabei eine Rolle. Alan Tafoya, ein Mitglied der Jicarilla Apache, darf da auch seine echte Sprache sprechen. Statt wie im ersten Teil ein Fantasie-Idiom à la Minions.

Weniger rosa

Man merkt also, dass sich die Filmemacher bemüht haben, möglichst niemanden zu verletzten, und trotzdem noch Pointen zu retten. Für die Figur des Winnetouch (und dessen Fans) freilich bedeutet das: Weniger Leinwandzeit.

Wie das ankommt? Die FAZ resümiert: „Die konservativen weißen Männer, die diesen Film verantworten, dürften mit ihren Kompromissen so weit gegangen sein, wie sie es mit ihrem künstlerischen Stolz gerade noch verbinden konnten.“ Und vermutet: „Die Patrouillen aus beiden Lagern des Political-Correctness-Kriegs werden aus dem Film vermutlich übel gelaunt herauskommen.“ Die Süddeutsche Zeitung sieht das etwas weniger harsch: „Auch Menschen, die sich fest vorgenommen hatten, nicht ein einziges Mal zu lachen, werden zumindest ein bisschen gelächelt haben .“

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