Warum "Das Kanu des Manitu“ am woken Marterpfahl landen könnte

"Prosääcco": Die heute als kontrovers empfundene Figur des Winnetouch (gespielt von Michael Bully Herbig) ist auch im neuen Film "Das Kanu des Manitu" wieder dabei.
Wenn ein Mann in indigener Fantasie-Tracht und langer Schwarzhaarperücke mit rosa Tütü im selbstgebastelten Fußballtor in der Prärie steht, dann ist klar: Man schaut gerade „Der Schuh des Manitu“. Die Westernkomödie, eine Ulk-Persiflage auf die „Winnetou“-Filme der 1960er, war der deutsche Kinohit der 2000er. 2001 startete die Karl-May-Parodie, ein Derivat aus der TV-Show „Bullyparade“ und sollte 11,7 Millionen Menschen ins Kino locken, was einen Umsatz von 65 Millionen Euro mit sich brachte. Das macht ihn nach wie vor zum erfolgreichsten deutschen Film der Nachkriegszeit.
Dahinter steckte der Komiker Michael Bully Herbig und 23 Jahre später erfreute er Fans im Vorjahr mit der Ankündigung einer Fortsetzung. Der Film, dessen Titel wieder mit einem komplexen Reimkonstrukt arbeitet, kommt diese Woche ins Kino: „Das Kanu des Manitu“.
Lachen über Natives?
Ob das Sequel den außerordentlichen Erfolg wiederholen wird, kann man noch nicht sagen. Was aber schon jetzt abzusehen ist: Der Film wird von Debatten begleitet werden, von denen sein Vorgänger bei seinem Erscheinen verschont geblieben ist. Seit 2001 hat sich der Diskurs darüber, was Humor darf und was nicht, recht radikal geändert. Vor fünf Jahren tauchten die ersten Interviewfragen an Regisseur und Autor Herbig auf, die sich erkundigten, ob er den Film heute noch einmal drehen würde.
Denn heute ist man deutlich sensibler in der Darstellung von amerikanischen Ureinwohnern. Kaum ein Fasching vergeht, in dem nicht debattiert wird, ob sich Kinder (oder erwachsene Antiwokeness-Aktivisten) noch als „Indianer“ verkleiden dürfen. Ein Wort, nebenbei, das man nicht mehr verwenden soll. Im „Schuh des Manitu“ wird aber ziemlich oft „Indianer! Indianer!“ gerufen. Dann reiten sie – die Schoschonen – auf ihrem armseligen Pony ein, anbei der Klappstuhl, den sie ausgegraben haben – denn das Kriegsbeil haben sie verlegt. Native Americans sind also in diesem Film die primäre Quelle des Humors – manche sagen auch des Spotts. Herbig selbst hat eine Doppelrolle als Abahachi und sein rosa Zwillingsbruder Winnetouch. Beide spielen wie erwartet in der Fortsetzung mit. Warum das manche nicht mehr zeitgemäß finden, hat weniger mit der Karl-May-Vorlage, die Herbig auf den Arm nimmt, zu tun, als mit der Repräsentation der Indigenen in der Unterhaltungsindustrie ihrer Heimat. Besonders die Darstellung in Hollywood setzte die Unterdrückung durch historisch falsche und abwertende Porträtierung fort.

Abahachi (Bully Herbig) und Blutsbruder Ranger (Christian Tramitz) in "Der Schuh des Manitu" von 2001. Sat1 zeigt den Film am Sonntag, 10. August, 20.15 Uhr.
Klischeebeladen
Polemisch gesagt setzte sie auch die Auslöschung der Indigenen fort: Dass auch amerikanische Ureinwohner in Amerika leben, wurde bei Drehbuch und Casting von Serien- und Filmproduktionen über Jahrzehnte irgendwie „vergessen“: Eine Studie hat 2020 berechnet, dass der Anteil sich in einem Mikrobereich von 0 bis 0,4 Prozent bewegt hat. In Filmen stagnierte er seit Jahren bei 0,6 Prozent. Zuletzt hat sich das ein bisschen geändert, etwa mit Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ oder der Serie „Reservation Dogs“.
Das ist also das Terrain, auf das sich Herbig mit seinem „Kanu“ wissentlich bewegt. Das ist natürlich ein bisschen unfair, schließlich hat er immer betont, dass „Der Schuh des Manitu“ sich nicht über Natives lustig macht, sondern über die selbst schon heillos klischeebeladenen Filme über Winnetou, Old Shatterhand und Co. – mit denen die deutschsprachigen Kinder der 1960er bis 80er aufgewachsen sind.

Herbig und Tramitz 24 Jahre später in denselben Rollen in "Das Kanu des Manitu", ab Donnerstag im Kino.
Beautyfarm wird Tanzschule
Aber die Sache mit den Ureinwohnern ist nicht der einzige Kritikpunkt am „Schuh des Manitu“. Problematisch war auch das Brownfacing bei Großvater Grauer Star, also das Dünkler-Schminken der Haut von Herbig – heutzutage ein absolutes No-Go. Die zahlreichen Busenwitze gehen vielleicht noch als universell pubertär durch, aber eine Szene, in der auf witzig eine Gruppenvergewaltigung angedroht wird, erzeugt heute Kopfschütteln.
Und dann ist da noch Winnetouch, der Beautyfarm-Besitzer mit dem reisekranken Pferd Jacqueline, mit pinker Tracht und pinker Kopffeder, immer gewillt, ein „Glasl Prosääcco“ auf seiner Puder Rosa Ranch zu trinken. Die exaltierte Tuntigkeit der Figur, zumal gespielt von einem Hetero-Mann, wird heute als abwertend eingeschätzt. Der Trailer zeigt, dass sich Herbig von der kontroversen Figur im „Kanu des Manitu“ nicht verabschiedet hat – Winnetouch hat jetzt eine Tanzschule namens Rosa Rumba Ranch und saugt noch immer lasziv am Strohhalm.
Vorwurf der Homophobie
LGBTQ-Aktivist Johannes Kram schrieb in seinem Buch „Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber ...“: „Auch wenn man ihn wie Bully charmant findet, den dummen Homo. Wenn es der dumme Homo ist, weil er dumm ist, weil er homo ist: Dann ist es Homophobie.“ Und: Homophobie bleibe Homophobie, „auch wenn sie lustig ist“. Bully Herbig hat seine Figur immer verteidigt und versichert: „Der Schuh des Manitu“ hat unglaublich viele schwule Fans, das können Sie mir glauben.“
Herbigs Reaktion auf das veränderte Humorverständnis hat sich über die Jahre gewandelt. 2022 gab er in einer deutschen Talkshow zu, dass er den Film heute so nicht mehr drehen würde. Dann sprach er trotzig von einer „Comedy-Polizei“ und beklagte, dass man Leuten „schnell auf die Füße trete“. Das schränke die künstlerische Freiheit ein. In einem Podcast von Comedy-Kollegin Hazel Brugger gab er sich ein Jahr darauf schon milder. Er ging zwar auch nicht im Detail darauf ein, was er heute anders machen würde, aber er gab zu bedenken, das sich Humor mit der Zeit ändert. Und er erinnerte daran, dass er selbst die ersten drei Staffeln der „Bullyparade“ aus dem Verkehr gezogen habe, weil er sich für die Sketche teilweise jetzt geniert.
Kurioses Detail am Rande: Winnetou-Darsteller Pierre Brice, ein weißer Franzose, hasste „Der Schuh des Manitu“. Er fand ihn respektlos gegenüber „seinen“ Karl-May-Verfilmungen.
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