Da lacht sogar Janne Ahonen: Gelungenes Schispringerlieder-Revival
„Das nächste Lied fängt an mit dem Namen von einem Skispringer, aber um den geht’s gar nicht.“
„Masahiko Harada!“ ruft jemand aus dem Publikum.
Mehr muss man über das Konzert im Grunde nicht wissen. Es sind sehr textsichere Freunde und Freundinnen der Schispringerlieder von Christoph & Lollo in den Wiener Stadtsaal gekommen. Diese wurden nach vielen Jahren wieder einmal in gebündelter Form auf die Bühne gehoben. Es gab zwar vereinzelte Shows mit dem Songmaterial, nun geht das Wiener Duo mit den Liedern auf Schanzentournee durch einige Hallen in Österreich und Deutschland.
Als einmal jemand im Publikum aufsteht und rausgehen will, sagt Lollo: „Der hat wahrscheinlich auf 88,6 von dem Konzert gehört.“
Schanzentisch
Der Schanzentisch der beiden stand immer bei FM4. Dort schlug auch die Geburtsstunde der Schispringerlieder. 1995 schrieben sie den Song mit dem legendären Refrain: „Schenk’ František Jež doch ein Lebkuchenherz“. Das Lied wurde Fixstarter bei der Radioshow „Salon Helga“ von Stermann & Grissemann. Das Mikro-Subgenre Schispringerlieder entstand. Von 1999 bis 2003 veröffentlichten Christoph & Lollo drei Alben.
Zwei Textzeilen aus dem Lied „Mika, du Saufkopf, hast du wieder verloren?“: „Wenn er nach einem Springen heimwärts geht, dann wird ihm ganz kalt ums Herz“ oder „Die Brieftasche leer und die Leber wie Blei“.
Eigentlich geht es nicht um Skispringer, es geht um Menschen und ihre Schwächen. Diese könnten auch den lakonischen Filmen von Aki Kaurismäki entsprungen sein. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass der Anteil der finnischen Namen in den Liedern besonders hoch ist. Ari-Pekka Nikkola, Janne Väätäinen, und natürlich Matti und Jussi Hautamaeki, die sich privat ein Duell liefern, bei dem RTL einmal nicht dabei ist: „Beim Hautamaeki-Duell da geht’s um Leben und Tod. Beim Hautamaeki-Duell, färbt sich die Anlaufspur rot.“
Häkeln
Sänger Christoph Drexler und Gitarrist Lollo Pichler liefern einander in den zweieinhalb Stunden zwar kein Duell, aber sie häkerln einander immer wieder, wenn auch liebevoll. Dabei geht's ums Altern, Konzertpannen und andere Unzulänglichkeiten. Wie etwa die karge Bühnenausstattung mit einer Handvoll Skispringerbildern, einem Lebkuchenherz und einem Skispringertrikot. Als Showeffekt gibt es immerhin dichten Bühnennebel. Korrigiere: „Das ist fein zerstäubtes Kokain“, sagt Lollo. Immerhin konnte er sich dank Fixkostenzuschuss eine zweite Akustik-Gitarre kaufen, scherzt er. Christoph meint, jetzt frage sich wohl jeder, was er sich damit gekauft hat.
Diese Selbstironie steht den beiden auch gut an. Denn sie nehmen nichts und niemanden ernst - was auch reinigend sein kann, wo doch heute so viele alles so ernst nehmen.
Über den bekannten britischen Skispringer, der als „Eddie the Eagle“ auch zu Hollywood-Ehren kam, singen sie: „Eddie springt zehn Meter, wenn der Rückenwind bläst. Eddie war noch nie auf einem Siegespodest. Eddie hat noch nie ein Mädchen geküsst, Eddie wird im Pub äußerst selten gegrüßt.“
Die Schispringerlieder - im Grunde klassische, nicht zu komplexe Singer/Songwriter- und Indiepop-Kost - funktionieren wie eh und je. Die verstrichene Zeit konnte ihnen nicht viel anhaben, außer dass heutzutage noch mehr auffällt, wie politisch unkorrekt manche Passagen sind. Nach der Pause stellt sich kurzzeitig das ermüdende Gefühl ein, dass einige Songs einander musikalisch schon recht ähnlich sind.
Funaki
Aber in einem Punkt zeigen sich Christoph & Lollo, die textlich ja wenig Respekt vor irgendwas zeigen, dann doch angepasst. Die größten Hits kommen am Schluss. Zunächst „Lebkuchenherz“, und dann bedient man auch noch das beliebte Spiel, das Konzert für beendet zu erklären, um dann doch noch den von allen geliebten Über-Hit zu spielen. Und das ist zweifelsohne „Funaki“.
Lollo kehrt mit überzeichneter Rockstar-Pose auf die Bühne zurück. Aktivierender Bühnennebel und so.
Angekündigt wird der Song über den japanischen Überflieger Kazuyoshi Funaki mit der Melodie einer Mini-Drehleier, die es draußen im Merch-Shop zu erwerben gibt.
In puncto Textsicherheit treten plötzlich unerwartete Schwierigkeiten auf. Doch die sind rasch erklärt. Das Duo hat eine Menge neuer Textzeilen geschrieben, die politische Ereignisse aufgreifen, die sich in der Zwischenzeit aufgedrängt haben. Vom Blatt gesungen funktioniert es dann (fast) einwandfrei. Aber das Publikum bejubelt ohnehin die improvisierten Passagen am meisten.
Allwissender
Funaki, der ja im Song Perfektionist, Superlover, Schöngeist, Connaisseur, kluger Delphin und Hans Dampf in allen Gassen ist, enthüllt, dass er Strache in die Ibiza-Falle gelockt hat, und weiß, wo sich Marsalek gerade versteckt. Zudem hat er mit einem Witz sogar Janne Ahonen ein Lachen entlockt und er hat es geschafft, Chuck Norris zum Weinen zu bringen.
Diese 13-Minuten-Version erfüllt die Fan-Wünsche so sehr, dass im Jubel fast untergeht, dass der Refrain noch fehlt.
„Funaki, funaki, funaki, funaki / Funaki, funaki, funaki, funa / Kifuna, kifuna, kifuna, kifuna / Kifuna, kifuna, kifuna, kifu / Nakifu, nakifu, nakifu, nakifu / Nakifu, nakifu, nakifu, naki.“
Da singen dann die meisten mit. Sogar Standing Ovations spendet das Publikum am Ende des Sitzkonzerts. Das Duo mit der Song-gewordenen Blödelei und Coolness erträgt es mit Fassung.
Tipp: Die „Schispringerliedertour“ führt Christoph & Lollo in den nächsten Monaten durch Österreich und Deutschland. Der Telemark wird am 3. März wieder in Wien gesetzt (im Chelsea).
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