Das Gerücht hatte schon vor Langem die Runde gemacht, erstmals im Frühsommer 2021 und dann Mitte September, als zunächst die Kronen Zeitung über einen bekannten Schauspieler berichtete – allerdings ohne dessen Namen zu nennen. Der KURIER bat damals im Burgtheater um ein Interview mit Florian Teichtmeister. Es war – aus medienrechtlichen Gründen – völlig klar, dass über die Vorwürfe der Kokainsucht, des Hortens von Fotografien minderjähriger Mädchen und der häuslichen Gewalt gegenüber der Lebensgefährtin nur berichtet werden konnte, wenn Teichtmeister Stellung nahm, seine Sicht darlegte.
Doch die Burg blockte ab und gab zur Antwort, dass Teichtmeister für Interviews nicht zur Verfügung stehe. Und man selbst habe zu den Vorwürfen nichts zu sagen. Es war mithin klar: Die Medien mussten zuwarten, bis die Justiz den Fall geprüft und allenfalls Anklage erhoben hat. Was aber hat das Burgtheater wann gewusst? Hätte Teichtmeister rechtlich entlassen oder zumindest beurlaubt werden können? Und warum spielte er noch im Herbst 2022 Hauptrollen?
Die Aufregung ist groß. Alle sind nach dem Bekanntwerden der Anklage konsterniert. Auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer: "Derartiges Verhalten hat in den Bundestheatern keinen Platz, genauso wenig wie in Kunst und Kultur allgemein sowie in allen anderen Gesellschaftsbereichen."
"Nötige Sorgfalt"?
Mayer beauftragte die Bundestheater-Holding (als Muttergesellschaft des Burgtheaters) „mit der Erstellung einer umfassenden Chronologie der Informationsflüsse im Konzern“ – um zu überprüfen, ob "auf allen Ebenen korrekt und mit der nötigen Sorgfalt gehandelt wurde". Diese Prozesse würden zudem von einem externen Gutachter geprüft werden.
Auch auf Nachfrage wurde behauptet, dass Mayer tatsächlich erst am Freitag vom Fall Teichmeister Kenntnis erlangt hätte – aus den Medien. Die Berichte im Herbst 2021 seien zwar registriert worden, aber weil kein konkreter Name und keine konkrete Bühne genannt wurde, dürfte man sich im Kulturstaatssekretariat nicht zum Handeln aufgefordert gesehen haben.
Christian Kircher, Chef der Holding, hat die Chronologie am Montag abzuliefern. Erstellt wurde sie im Burgtheater von Robert Beutler, dem kaufmännischen Direktor, und Alexandra Althoff, die bis zum Sommer 2022 Vizedirektorin war.
Bekannt ist, dass Teichtmeister 58.000 Bilddateien aus dem Darknet heruntergeladen habe – seit dem Februar 2008. Damals war er Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt. Herbert Föttinger, dem Direktor, will außer einer Disposition für Depressionen nichts aufgefallen sein. Aber die Seele sei ein weites Land – in diese könne man nicht so leicht hineinschauen. Entsetzt zeigt sich Föttinger gegenüber dem KURIER von der Hetze der Medien.
Michael Rami, einer der beiden Anwälte von Teichtmeister, erklärte, dass sich sein Mandant bereits „seit zwei Jahren in psychologischer Behandlung“ – also seit Anfang 2021 – befände.
Die jüngsten Bilder stammen aber vom August 2021, vom Zeitpunkt der Sicherstellung. Die Ex-Lebensgefährtin hatte Anzeige erstattet – auch wegen häuslicher Gewalt und Kokainmissbrauchs. Teichtmeister soll von da an mit den Behörden kooperiert haben.
Seinen Dienstgeber aber informierte er, laut Burgtheater, nicht. Nach Bekanntwerden der Gerüchte im September 2021 habe jedoch die Direktion den Schauspieler "einbestellt". Und: "Er hat die Vorwürfe entkräftet." Wie Teichtmeister dies gelang, ließ das Burgtheater offen.
Gegenüber dem Standard teilte Direktor Martin Kušej mit: "Teichtmeister erklärte mir und meiner Stellvertreterin gegenüber, dass es sich bei der Anzeige gegen ihn um einen Racheakt seiner ehemaligen Partnerin handeln würde." Auf den Computern, Datenträgern und Handys, die Teichtmeister freiwillig der Polizei ausgehändigt hätte, sei nichts zu finden, habe dieser gesagt. "Er hat sich auf unsere Nachfrage nicht geständig gezeigt und die Vorwürfe vehement bestritten."
"Alle Erkenntnisse"?
Die Burg hielt, auch aus arbeitsrechtlichen Überlegungen (eine Entlassung muss eindeutig geboten sein) die Unschuldsvermutung aufrecht. Auch dann, als Teichtmeister berichtete, dass seine Ex-Partnerin die Anzeige zurückziehen wollte, aber nicht konnte, weil – so Kušej – "das angezeigte Delikt zu schwer ist".
Kušej, der mit Teichtmeister befreundet war, sieht kein Versäumnis: "Wir haben die Bundestheaterholding umgehend über all unsere Erkenntnisse informiert." Kircher stellt die Sache gegenüber dem KURIER etwas anders dar. Ihm sei im Telefongespräch kein konkreter Name genannt worden: "Der Kern der Beschuldigung war der Verdacht auf häusliche Gewalt." Es sei vereinbart worden, „dass – wie immer in solchen Fällen – dem Erstverdacht nachgegangen werden muss“. Dies sei geschehen.
Im Fall eines Staatsopern-Cellisten, der an der Musikuni seine Macht missbraucht hatte, ging Kircher mit der gebotenen Schärfe vor. Im Fall Teichtmeister aber nicht: "Die mir im Herbst 2021 vorliegenden Informationen gaben keinen Anlass, anders zu reagieren." Daher habe er auch nicht den Eigentümer, das Staatssekretariat, informiert.
Am 31. Jänner 2022 hätte eine Nichtverlängerung des Teichtmeister-Vertrags ausgesprochen werden können. Kušej verzichtete. Und statt Teichtmeister in die zweite Reihe zu stellen, bis der Fall erledigt ist, übertrug er ihm Hauptrollen – etwa in seiner Inszenierung von "Nebenan".