Burgtheater: Jetzt ist der Staatsanwalt am Zug

Ein Mann mit Schnurrbart präsentiert einen Bericht von KPMG mit dem Titel „Projekt Sopran“ vor Mikrofonen.
Holding-Chef Springer spricht von umfangreichen Vorwürfen im Prüfbericht. Der Schaden soll 7 bis 8 Mio. Euro betragen.

Die Causa rund um die Vizedirektorin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky, wird ein Fall für den Staatsanwalt – und zwar wegen Verdachts auf Untreue, Bilanz-, Urkunden- und Beweismittelfälschung. Dies sagte der Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, bei einem Pressegespräch. Anlass war ein Prüfbericht, der die Vorwürfe gegen Stantejsky untersuchen sollte – der aber aus Datenschutzgründen, so Springer, weder der Presse noch der Beschuldigten (!) vorgelegt wurde. Für die Journalisten gab es stattdessen eine zehnseitige teilgeschwärzte, von der kaufmännischen Geschäftsführung des Burgtheaters erstellte Zusammenfassung.

Dementsprechend blieben entscheidende Fragen in der Causa um die Burgbilanz offen. Und auch der wichtigste Punkt wurde nicht berührt: Wie es an der führenden Bühne im deutschsprachigen Raum so weit kommen konnte; und was ein glaubhaftes Motiv von Stantejsky gewesen sein könnte. Sie hatte im Vorfeld die Vorwürfe von sich gewiesen und wehrt sich gegen ihre Entlassung vor dem Arbeitsgericht.

Das Minus der Burg

Wie der KURIER stets hingewiesen hat, wird Stantejsky nur für einen kleineren Teil jenes Bilanz-Minus in der Höhe von 8,3 Millionen Euro verantwortlich gemacht, das die Burg für die Saison 2012/’13 befürchtet. Sie habe durch "dolose Handlungen" 2,7 Millionen Euro Schaden verursacht, so Springer. Die restlichen 5,6 Millionen beruhen auf einer geänderten Abschreibesystematik.

Wie hoch jene Steuernachzahlungen sein werden, die wegen nicht abgeführter Steuern auf Honorare entstanden sein könnten, versucht die Burg derzeit in Verhandlungen mit dem Finanzamt zu klären. Es war von bis zu fünf Millionen die Rede.

Die 2,7 Millionen ergeben sich aus „Fehlplanungen“, so Springer – etwa falsch vorbilanzierte Einnahmen aus Gastspielen und zu gering angesetzten Personalkosten – und aus Auszahlungen, für die Belege fehlen oder gefälscht gewesen sein sollen. Mehrfach ist die Rede von einer „Loch-auf-Loch-zu“-Buchhaltung, nach der Stantejsky vor Bilanzstichtagen Einzahlungen getätigt habe, um die Finanzsituation des Burgtheaters besser darzustellen. Diese Summen seien hernach wieder entnommen werden. Mitarbeitern seien zu hohe Summen ausbezahlt worden – was auf Grund fehlender Belege nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden konnte.

"Bin für das mitverantwortlich"

Ein Mann mit Brille und Schnurrbart gestikuliert mit dem Finger.
Georg Springer will "alle Mittel eines rechtsstaatlichen Verfahrens" verwenden
Auch die Liquidität des Burgtheaters sei besser dargestellt worden, als sie war, sagt Springer. „Das System war, einen Schuldenberg vor sich her zu schieben, an den entscheidenden Tagen zuzudecken und nachher wieder weiter vor sich her zu schieben. Irgendwann kommt der Moment, wo so ein System in die Luft fliegt“, sagt Springer. In den Augen vieler kam der Moment zu spät: Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsrat und Holding haben nichts mitbekommen. Springer meint: „Sie haben auch keine Möglichkeit, auf so ein System draufzukommen. Hätten wir das alles nicht viel früher erkennen können oder sogar müssen? Tatsache ist, dass wir es nicht früher erkannt haben. Und wir sind dabei in Gesellschaft eines Wirtschaftsprüfers.“ Springer weiter: „Ja, ich bin für das mitverantwortlich für das, was hier passiert ist. Das ist überhaupt keine Frage.“ Es sei wichtig, dass jetzt Staatsanwaltschaft und der Rechnungshof die Causa prüfen.

Die in einem Presse-Interview geäußerte Kritik eines Wirtschaftsprüfers, wonach die Schieflage an der Burg „jedem hätte auffallen müssen“, will Springer nicht auf sich sitzen lassen. Dieser Wirtschaftsprüfer habe „keine Einwendungen“ gegen die nun inkrimierten Abschlüsse gehabt, betont Springer. Auch dass die nunmehrige „forensische“ Prüfung Springer und Burg-Chef Matthias Hartmann aussparen sollte – was der Wirtschaftsprüfer andeutete – , sei laut Springer nicht richtig. Die Holding legte den Journalisten umfangreichere Dokumente vor, um dies zu untermauern – umfangreicher als die Auszüge aus dem Bericht selbst.
Auch der Burg-Aufsichtsrat ließ sich nachweisen, ausreichend kontrolliert zu haben: Ein Due Diligence Bericht entlastet den Aufsichtsrat, er sei seiner Kontrollfunktion nachgekommen.

Die Burg müsse und werde aus eigener Kraft die Misere bereinigen können, sagt Springer. Er stellte Überlegungen in den Raum, Immobilien innerhalb der Holding zu verschieben, um die Burgbilanz zu entlasten. Auch müssen weitere Sparmaßnahmen und eventuell auch Preiserhöhungen „überlegt“ werden. Auf der Ebene, dass die Sanierung der Burg „nur mit Grauslichkeiten“ geht, sei man noch nicht angelangt. „Und wir hoffen, dass wir diese Ebene nicht erreichen.“

Die Ex-Vizedirektorin der Burg, Silvia Stantejsky, hat erneut die gegen sie gerichteten Vorwürfe zurückgewiesen. Sie habe sich „nicht bereichert“, „nie Unterschriften gefälscht“, und „zu keinem Zeitpunkt ein strafbares Verhalten gesetzt“, sagte Stantejsky in der „Zeit im Bild“. Die Ex-Vizedirektorin, gegen die eine anonyme Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingegangen war, hielt auch fest, dass sie „keine Mittel des Burgtheaters veruntreut“ habe.

Im Gegensatz zu Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer, der eine Mitverantwortung an der Finanzmisere im Burgtheater einräumte, wies der Direktor des Hauses, Matthias Hartmann, weiter jede Verantwortung von sich. Er habe mit seiner Unterschrift die künstlerische Verantwortung übernommen, sagte Hartmann am Donnerstag. Die kaufmännische Verantwortung sieht er daran nicht automatisch gekoppelt.

Hohe Produktionskosten "Gerücht"

"Ich bin dieses Ätsch-Bätsch-Spiel leid", ärgerte sich Hartmann im Verlauf der Pressekonferenz über diese Verknüpfung. Vielmehr sei von künstlerischer Seite alles geschehen, um die Zahlen zu verbessern. "Das Gerücht der hohen Produktionskosten stimmt nicht", so der Direktor, der das Bilanzminus ohne die künstlerischen Erfolge doppelt so hoch ansetzen würde. "Das Burgtheater muss für diese Leistung gewürdigt werden." Er habe an allen Stellschrauben gedreht, die ihm zugänglich seien. "Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand."

Im Hinblick auf die entlassene Vizedirektorin Silvia Stantejsky und mögliche strafrechtliche Tatbestände sagte Hartmann, er habe es schon bisher vermieden, über die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin etwas Negatives zu sagen. "Ich werde bei diesen Mutmaßungsspielen nicht mitmachen." Sie sei bei seinem Amtsantritt bereits viele Jahre am Haus tätig und "bestens beleumundet" gewesen. "Es gab überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln."

( APA)

April 2008: Silvia Stantejsky, seit 1980 Leiterin des Betriebsbüros, seit 1999 Prokuristin und Stellvertreterin des kaufmännischen Geschäftsführers Thomas Drozda, wird kaufmännische Geschäftsführerin.

Ab 2009 warnen Manager vor einer Unterdotierung des Burgtheaters.

Februar 2013: Stantejsky wird Stellvertreterin des künstlerischen Direktors.

Mai 2013: Thomas Königstorfer, bisher kaufmännischer Geschäftsführer der Musiktheater Linz GmbH, wird kaufmännischer Direktor.

November 2013: Es treten Ungereimtheiten der von Stantejsky als kf. Geschäftsführerin verantworteten Geschäftsjahre auf. Stantejsky wird suspendiert.

November 2013: Stantejsky wird fristlos entlassen.

Dezember 2013: Stantejsky klagt gegen ihre Entlassung.

Jänner 2014: Die Wirtschaftsprüfer KPMG erhalten den Auftrag zu einer forensischen Untersuchung der Verdachtsmomente gegen Stantejsky. Der Rechnungshof stellt "erhöhte Risikorelevanz" im Burgtheater fest. Holding-Chef Springer sagt, Stantejsky habe "eine Schattenorganisation aufgebaut" und "dolose Handlungen" gesetzt. Stantejsky bestreitet alle Vorwürfe.

Februar 2014: Der forensische Zwischenbericht von KPMG sieht "deutliche Indizien für gefälschte Belege und die Vorspiegelung falscher Tatsachen" durch Stantejsky.

27. Februar: Der KPMG-Endbericht bestätigt die Vorwürfe gegen Silvia Stantejsky.

Nun wurde also bestätigt, was kulturinteressierte Menschen längst wussten: Im Burgtheater kam es jahrelang zu dubiosen geschäftlichen Vorgängen, die mit professioneller Buchhaltung nicht das Geringste zu tun haben. Als Schuldige wurde Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky genannt, ihr Fall landet nun beim Staatsanwalt.

War’s das schon? Reicht dieser alleinige Sündenbock? Können alle anderen in ihren Jobs bleiben und sich abputzen, als wäre nichts gewesen? Das darf doch nicht sein.

Was sich zurzeit abspielt, grenzt an eine Farce, an eine Posse. Auch wie die Öffentlichkeit informiert wird, ist indiskutabel. Am Donnerstag bekamen Journalisten magere zehn, teilgeschwärzte Seiten überreicht – von einer Institution, die mit Steuergeld finanziert wird. Auch das ist ein Affront.

Wichtige Fragen werden, passend zum österreichischen Brauch des Weiterschiebens von Schuld, des Nicht-Übernehmens von Verantwortung, ignoriert.

Wie geht es mit der Holding und deren Chef Georg Springer weiter? Wie ist es möglich, dass all diese Vorgänge von den Kontrollinstanzen so lange nicht bemerkt oder wissentlich ignoriert wurden? Wie kann Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann mit dem Misstrauensvotum seines Ensembles weitermachen wie bisher? Ist all das noch kittbar? Es ist tieftraurig zu sehen, wie eine Bühne von Weltrang eine tiefe Wunde nach der anderen abbekommt.

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