Das Finanzdrama im Burgtheater
Im Burgtheater-Aufsichtsrat wird es am Freitag spannend: Jene externen Prüfer, die die Finanzaffäre rund um die entlassene Vizedirektorin Silvia Stantejsky durchleuchten sollten, sollen ihren Endbericht vorlegen. Der KURIER lässt die Affäre Revue passieren – anhand ausgewählter Zitate:
"Wo Sumpf ist, kann man lange bleiben, ohne dass etwas geschieht. Es ist aber auch eine große Freude, im Sumpf zu arbeiten. Man hat mich immer vor diesem Österreich gewarnt. Aber ich frage mich nach zwei Jahren in diesem Land: Wann kommt dieses Österreich, vor dem mich alle gewarnt haben? Wann fängt das Fürchterliche denn an?"
(Burgdirektor
Matthias Hartmann, 2011. Die Antwort kam wohl schneller, als ihm lieb war)
"Bevor man uns Schindluder vorwirft, müsste einiges passieren."
(Auch das geht manchmal schneller, als man denkt)
"Das ist schon ein Signal für die Zukunft des Burgtheaters."
(Bundestheater-Holdingchef
Georg Springer gibt im März 2013 bekannt, dass die Burg 3,65 Mio. Euro aus dem Stammkapital nehmen muss, um ein Minus abzuwehren)
"
Silvia Stantejsky hat sich entschlossen, für diese Entwicklung auf der kaufmännischen Seite ab 1. September 2013 nicht weiter zur Verfügung zu stehen."
(Die Geschäftsführerin wird wegen der schwierigen Finanzlage zur Vizedirektorin)
"Die Vizedirektorin des Burgtheaters,
Silvia Stantejsky, ist im Dezember wegen Unregelmäßigkeiten bei der finanziellen Gebarung entlassen worden."
(Jänner 2014: Die Finanz-Affäre wird durch einen "News"-Bericht öffentlich)
"Dem Haus ist sicher kein Schaden entstanden."
(
Hartmann irrt)
"Der Aufsichtsrat wurde darüber unterrichtet, dass im Jahresabschluss für das Jahr 2012/2013 mit einem Bilanzverlust von voraussichtlich TEUR 8.300 zu rechnen ist. Darüber hinaus stünden Steuernachzahlungen in der Höhe von bis zu TEUR 5.000 im Raum."
(Da war er dann, der Schaden)
Stantejsky habe "eine sehr intelligente Schattenorganisation aufgebaut" und "dolose Handlungen" gesetzt.
(
Springer weist die Verantwortung von sich)
"Dr.
Springer als auch der Aufsichtsrat wird von sämtlichen buchhalterischen Entscheidungen informiert. Parallel kann gar nichts geschehen."
(
Stantejsky wehrt sich)
"Die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung"
(Aufgabe der Holding, aus dem Bundestheatergesetz)
"So etwas können nur Wirtschaftsprüfer sehen. Ich bin ja nicht in der Buchhaltung des Hauses unterwegs."
(Der künstlerische Geschäftsführer
Hartmann weist trotz des Vieraugenprinzips die Verantwortung von sich)
"Das Vieraugenprinzip bedeutet eben nicht zwei getrennte Augenpaare – ein Gröscherlzähler und ein Künstler – sondern ein beidseitiges Bewusstsein."
(Zur Erinnerung:
Springer im Jahr 2010 zur Rollenverteilung der Geschäftsführer)
"Sie olle ham was g’wusst und des lasst mir ka Ruah."
(Titus Feuerfuchs im Akademietheater, siehe unten)
"Unwürdige und unproduktive Angstpolitik."
(Burg-Ensemble spricht
Hartmann und
Springer das Misstrauen aus)
Na, da hab' i schon g'nua!“, heißt es bei Titus Feuerfuchs in Johann Nestroys "Talisman". Burgschauspieler Johannes Krisch sang das berühmte Couplet Samstagabend in seiner Rolle als Feuerfuchs im Akademietheater. Nach drei Strophen Original-Text verschwand er hinter der Bühne, um kurz danach mit einer Aktualisierung des Liedes wiederzukehren.
Zufällig – es handelte sich um keine Premiere – war ein Mitarbeiter von Ö1 bei der Vorstellung anwesend und Krischs aktuelle Variante fand ihren Weg ins "Mittagsjournal". Krisch, der sich wie andere Ensemblemitglieder bereits kritisch zur Burg-Bredouille zu Wort gemeldet hatte, sang davon, dass der Haussegen am Burgtheater wegen „doloser Geschäfte“ schief hänge; er bezeichnete Bundestheater-Holding-Chef Springer als „taub“, den Aufsichtsrat als „blind“, Direktor Matthias Hartmann als „Künstler, der auch noch g’schwind inszeniert“.
Alle hätten sie etwas gewusst von der Misere „und des lasst mir ka Ruah“, prangerte Krisch singend an. Krischs Statement ist nicht nur politisch brisant sondern auch künstlerisch interessant, denn er spielt damit auf den ursprünglichen Sinn des Couplets an: Mitte des 19. Jahrhunderts spiegelte das Theater als öffentliches Medium gesellschaftliche Spannungen wider. Im Altwiener Volkstheater hatte das Couplet als politisches Statement Tradition und war in der Zeit des Vormärz ständig bedroht von Metternichs Zensur. Nestroys Stücke waren mehr als Possen. Nestroy war Realsatiriker.
Zum Nachhören: Krischs Couplet im Ö1-Mittagsjournal (ab Minute 4:55)
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