"Bunte Götter": Eine Ausstellung, die sich nach Hause holen lässt
Die Wanderausstellung „Bunte Götter“ hatte seit 2003 mehr als drei Millionen Besucher in 30 Städten weltweit und war 2012/’13 auch im Kunsthistorischen Museum.
Kurator Vinzenz Brinkmann, seit 2007 Leiter der Antikensammlung des Liebieghauses in Frankfurt am Main und der bekannteste Archäologe Deutschlands, konnte zeigen:
Die Antike, ihre Skulpturen, ihre Friese und ihre Architektur waren nicht rein weiß, still, edel und einfach, sondern ursprünglich bunt. Leuchtend gelb, rot und türkis – voller Muster und Ornamente. Weißer Marmor galt nicht an sich als schön, er diente als ideale Leinwand und ließ die Farben besonders gut strahlen.
Farbrekonstruktionen
„Bunte Götter – Golden Edition“ (bis 17. 1. 2021) ist der Titel einer stark erweiterten Fassung der Bunten Götter und präsentiert mehr als 100 Objekte, darunter 60 Rekonstruktionen. Auch sie soll auf Reisen gehen, u. a. nach Neapel, New York und Sydney. Bei den teils spektakulären Nachbildungen griechischer Bronzen steht vor allem die Verwendung von Gold im Mittelpunkt.
Neben der Rolle des Goldes sind die Mehrfarbigkeit von Bronzeskulpturen und die Frage, welche Farben griechische Statuen in der Zeit des Hellenismus hatten, die Kernthemen der Schau.
So zierte ein ausgefallenes Ornament die Kleidung eines Bogenschützen aus dem Westgiebel des Aphaiatempels, um 480 v. Chr., auf der Insel Ägina.
Tatsächlich waren Skulpturen schon immer farbig – seit den Ägyptern bis zum europäischen Mittelalter. „Erst die Renaissance hat dann beim Versuch, das Ideal der antiken Philosophie wiederzubeleben, die Vorstellung von der farblosen antiken Skulptur entwickelt“, erklärt Brinkmann.
„Damals wurde in Rom die Erde viel umgegraben, neue Gebäude entstanden und viele der gefundenen Marmorskulpturen der Antike hatten keine Farbe mehr.“
Keine „Weiße Antike“
Diese Ästhetik habe sich verfestigt, bis im 18. Jahrhundert bei Grabungen etwa in Pompeji viele Marmorskulpturen mit zahlreichen Farbresten gefunden wurden.
„Der Vulkanausbruch des Vesuv hatte die Kunst verschüttet, aber dadurch auch geschützt. Im 19. Jahrhundert fand man bei Grabungen immer mehr farbige antike Skulpturen.“
Aber mit dem Faschismus im 20. Jahrhundert durfte das Offensichtliche wieder nicht wahr sein: Die bunte und lebensfrohe Antike passte nicht zur Diktatoren-Ästhetik eines Mussolini, Franco, Hitler oder Stalin. „Sie war schlicht zu sinnlich“, so Brinkmann.
„Man muss bedenken, wie stark der Verlust der Farbe die Sinnlichkeit nimmt. Was an der antiken Statue sexy ist, wird abstrakt durch den Verlust der Farbe.“
Digitorial zur Schau
Die Ausstellung lässt sich übrigens in Zeiten eingeschränkter Reisefreiheit auch nach Hause holen. Alle Infos zu den „Bunten Göttern“ sind multimedial abrufbar.
Mit einem eigens erstellten Digitorial, das digitale wie analoge Kommunikationskanäle vereint, Wissen vermittelt und Emotionen erzeugt. Kurzweilig. Unterhaltsam. Informativ.
https://buntegoetter.liebieg-
haus.de
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