New Adult und Romantasy: Das Buchgeschäft mit der Liebe
Romanzen und Rosen: Ein Regal in der Liebesroman-Buchhandlung „Ripped Bodice“ in Kalifornien.
Was der große Bruder kann, das kann die BuchWien schon lange. Bei der Buchmesse in Frankfurt gab es heuer erneut eine eigene große Halle für New-Adult-Belletristik, also Bücher für eine junge Zielgruppe. Dieses Segment ist in einem kriselnden Buchmarkt der einzige wachsende Bereich. Stark wachsend – wie sich auch in Frankfurt zeigte, wo sich vor allem Mädchen und junge Frauen stundenlang anstellten, um in den mit rosa Lustern geschmückten Pavillon eines vor allem für Liebesromane bekannten Verlags zu kommen. Auch bei der BuchWien gibt es wieder einen eigenen großen Bereich und einen Veranstaltungsschwerpunkt zum Thema New Adult.
Neben anderen Autorinnen der Szene wird da die deutsche Schriftstellerin Julia Dippel über Trends in jenem Genre sprechen, das am beliebtesten ist: Romantasy. Das sind Erzählungen, die Liebesgeschichten mit Fantasyelementen verbinden. In ihrem neuen Buch „Velvet Falls“ geht es etwa um eine gescheiterte Hexe, die sich für eine wichtige Mission mit einem Göttersohn zusammentun muss, mit dem sie eine amouröse Vergangenheit hat, die eher nicht so gut geendet hat. Aber nicht umsonst heißt eins der gängigsten Motive (oder englisch Tropes, wie das verkaufsfördernd genannt wird) „Second Chance“. Vielleicht gibt es dann irgendwann ein „HEA“ („Happily Ever After“).
Julia Dippel schreibt Romantasy-Bücher.
Verfeindet verliebt
Andere solche Tropes sind etwa „Enemies to Lovers“ – erst verfeindet, dann verliebt, oder „Forced Proximity“, erzwungene Nähe – „weil das Paar vielleicht irgendwo zusammen eingeschneit ist oder eine Aufgabe zusammen meistern muss“, erklärt Dippel. Natürlich sind diese Schlagworte Marketinginstrumente, sagt Dippel. Und sie kann sehen, dass eine Reduzierung darauf zum gängigen Image führen kann, dass es sich bei diesen Büchern um seichte Schreibprodukte handelt. Zumal der seriösen Buchkritik die Romantasy-Epen ohnehin zu pastellige Cover und zu viel Gefühl haben. Aber „die wenigsten suchen sich Tropes heraus, die gut gehen und kosntruieren damit eine Geschichte. Das geht dann eher von den Verlagen aus. Ich sehe sogar eher, dass Autorinnen verstärkt den Mut haben, sich gegen das enge Korsett der Tropes durchzusetzen, sich gegen die Etikettierung zu wehren.“
Eskapismus
Warum ist aber gerade das Genre der Romantasy so überaus beliebt? „Es verbindet sehr viel, wonach sich die junge Erwachsenengeneration sehnt. Die Kombination aus Eskapismus, dass man in eine andere Welt eintauchen kann, aber auch die Nähe zu einer Emotion, die nicht ironisch gebrochen ist, plus Spannung und Adrenalin. Diese Leserinnen und Leser haben eine große Sehnsucht nach unmittelbar erlebten Gefühlen, die wollen keine intellektuelle Analyse der Emotion.“ Das ist übrigens eine Parallele zu den Fans von Taylor Swift, es sei kein Zufall, dass viele „Bookies“ auch Swifties seien, bestätigt Dippel.
Die Autorin, die eigentlich vom Theater kommt, beobachtet diese Tendenz auch dort – und nicht nur bei Jungen. „Es gab lange die Strömung von Regie-Theater mit Tabubrüchen, je distanzierter, provokanter und intellektueller, desto besser. Da ist dann noch ein Nackter da aufgetaucht und dort noch ein totes Tier. Und da gibt es eben viele, die sagen, ich möchte die Geschichten wieder erleben, wieder spüren, wie sie sind.“ Und Romantasy bietet da den vielbeschworenen Safe Space: „Da sucht man sich einen anderen Ort wo man sich verstanden fühlt.“
Durch die Sozialen Medien findet man auch eine Menge Gleichgesinnte. „Wo früher Einzelgänger allein ihr Buch gelesen haben und sich damit vielleicht auch ein bisschen einsam gefühlt haben, ist jetzt eine große Community.“ Die tauscht sich nicht nur miteinander aus, die kann so auch die Autorinnen kontaktieren und weiß viel über deren Leben. „So wie ich meine Mails durchgehe, schaue ich auch regelmäßig die Social-Media-Kanäle durch, antworte da, poste dort.“ TikTok, wo der Hashtag Booktok die neue Leseliebe vor einigen Jahren in Gang gesetzt hat, nutzt Dippel – geschuldet durch die verschieden wirkenden Algorithmen – anders als Instagram: „ TikTok ist dafür da, neue Lesende zu erreichen, weil es da möglich ist, mit einem Video Millionen zu erreichen. Instagram ist besser, um eine Community aufzubauen und zu pflegen.“
Korsett, zerrissen
Aber nicht nur in der digitalen Welt kommen „Bookies“ zusammen, auch in Buchhandlungen, die ausschließlich Liebesromane, ob mit oder ohne Fantasy, anbieten. In rosa-romantischem Ambiente mit Rüschen und Rosen gibt es da etwa auch Kaffee und Merchandise. Vor allem im angelsächsischen Markt, wo New Adult noch massiver boomt, gibt es immer mehr davon. Eine der Pionierläden ist in Kalifornien und heißt „Ripped Bodice“ (zerrissenes Korsett). Im deutschsprachigen Raum sehe sie da bisher nur eine „Testblase“, sagt Dippel.
Das „zerrissene Korsett“ deutet es schon an: Sex – für die ungeblockte Verwendung auf Social Media „Spice“ genannt – spielt eine große Rolle in den Büchern. Und da kann es zwischen Dämonen und Elfen, Vampiren und Werwölfen auch schon mal ruppig zugehen. Dass manchmal auch toxische Beziehungsmodelle gezeichnet werden, findet Dippel erst mal nicht verwerflich. „Das ist Teil des Eskapismus, dass man sagt: In diesem bestimmten Rahmen darf ich das genießen. Man darf da Besitzdenken und männliche Dominanz attraktiv finden – zumal die Protagonistin sich meistens dagegen behauptet.“ Das Genre, in dem Sex oft mit Gewalt einhergeht, heißt „Dark Romance“. Das sei ohnehin schon eine Triggerwarnung, ein „Achtung-Label“ in sich. Problematisch findet Dippel allerdings, wenn die toxischen Gewaltfantasien und alte Rollenbilder aus der Fantasiewelt in das „echte“ Leben in New-Adult-Romanzen wandern.
BuchWien: 12. bis 16.11., Messe Wien
Young & New Adult Schwerpunkt mit Interviews, Meets & Greets und DIY wie Strasssteine auf Lieblingsbücher kleben ab Freitag, 14.11.
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