Thomas Melle: Verheddert in schalen Simulationswelten

Im März 2017 brachte Jan Bosse im Akademietheater eine Dramatisierung des Romans „Die Welt im Rücken“ mit einem furiosen Joachim Meyerhoff zur Uraufführung. Nun machte es der Autor, der 1975 in Bonn geborene Thomas Melle, gegengleich: Er pimpte ein altes Stück, „Haus zur Sonne“, zum gleichnamigen Roman auf: Indem er es mit seiner Leidensgeschichte ergänzte.
Die Welt im Rücken war die heiß geliebte Bibliothek: Melle verjuxte sie in den heftigen manischen wie depressiven Phasen. In der Folge schien er die Krankheit mit Medikamenten in den Griff bekommen zu haben, doch mitnichten: „Ein kontroverser Artikel über den Nobelpreis an Peter Handke“ – im Jahr 2019 – „und das Medium Twitter warf mich aus der Bahn“. Denn Melle fühlte sich in seiner Kritik am Stil der Debatte missverstanden, er legte nach, verstieg sich geradezu. Wieder die gleiche Tortur, nur brutaler.
Aber dann stößt der Ich-Erzähler auf das „Haus zur Sonne“ und dessen Glücksversprechungen. Der Aufenthalt wird bewilligt: Er landet in einer prächtigen, aber geschlossenen Anstalt, in der mit Simulationen nahezu jeder Wunsch erfüllt wird. Schon bald verheddert sich der Antiheld in Träumen, in denen er träumt, dass er träumt. Doch die Erlebnisse haben etwas Schales, die Figuren sind wenig plastisch, zu viel erinnert an bekannte Filme (wie „Strange Days“). Nur selten ist Melle brilliant, etwa wenn er Ludwig Wittgenstein auf den Kopf stellt: Es sei ein Irrtum, so der Chef vom Ganzen, wenn man glaube, dass alles, was mit Sprache gesagt werden kann, auch in die Welt gesetzt werden könne ...

Thomas Melle:
„Haus zur Sonne“
Kiepenheuer & Witsch.
316 Seiten.
25,50 Euro