Lorenz Urbach ist im Stadium eines „allzu durchschnittlichen Lebens“ angekommen. Lehrer ist er und wenn er seinen Schülern davon erzählt, was „Bücher imstande sind zu leisten“, dann scheint er es selbst nicht mehr ganz zu glauben.
Er wirkt ausgebrannt, eine unbestimmte Unzufriedenheit hat ihn befallen. Er ist frisch getrennt, hat aber keine Lust auf einen Flirt mit der Französischlehrerin. Der Traum, endlich im Alfa Romeo an den Gardasee zu fahren, rückt weiter weg, die Darmspiegelung immer näher. Aus der mutmaßlichen frühen Midlife-Crisis (er ist 42) wird zunehmend ein Problem. Ein Aggressionsproblem. Zuerst haut er den Chemielehrer (weil: SUV-Fahrer, Golfspieler und deppert daher reden), und bald gibt’s Wickel, wo immer er hingeht.
Der Mann hat sich nicht mehr im Griff. Dazu kommen seine Träume: Erst träumt er von Toten und glotzenden Tieren und dann heißt es plötzlich, es sei tatsächlich ein blutrünstiges Wesen irgendwo in den Alpen aufgetaucht. Ein Wolf? Ein Monster? Eine geheimnisvolle Horrorgestalt?
Lorenz erinnert sich an seine frühere Wanderleidenschaft und an seine gute Freundin Theresa, die Aussteigerin, die ausgerechnet Wolf hieß. Und weil ihm seine Ex-Frau und sein Therapeutenfreund („Immanuel“) auf die Nerven gehen mit ihren guten Ratschlägen, macht er sich auf den Weg in die Berge.
„Das Unbehagen“ heißt der neue Roman des 1983 geborenen oberösterreichischen Autors Thomas Arzt. Ausgebrannte Lehrer, Krisen im Gebirge und Naturgewalten, stellvertretend für eine Welt am Rande des Absturzes, stehen nicht zum ersten Mal im Zentrum seines Schreibens.
Thomas Arzt wurde zunächst als Dramatiker mit Schauspielhaus-Erfolgen wie „Grillenparz“ bekannt. Mit dem Stück „Totes Gebirge“ reüssierte er 2016 im Theater in der Josefstadt. Auch da ging es um einen depressiven Lehrer, der Zuflucht vor sich selbst sucht. Im Gespräch mit dem KURIER verwendete Arzt damals den Begriff der sich auftuenden „Schluchten“ in Zusammenhang mit Depression. Die innere Befindlichkeit oder das, was Arthur Schnitzler das „weite Land“ nannte: Es kann einer Felswüste gleichen.
Aus der Frage, ob Lorenz aus dieser herausfindet, ist Arzt trotz der Schwere des Themas ein gut zu lesender und wunderbar ironischer Gesellschaftsroman geglückt.