Die Übersetzerin Renata Spaziani hat 25 Jahre mit dem Architekturfotografen Konrad Grasmann in der gemeinsamen Wiener Wohnung gelebt. Mit knapp sechzig ist er plötzlich auf einem Parkplatz in der Nähe seines Tiroler Heimatortes zusammengebrochen. Wohl das Herz. Zwei Schachteln hat er am Tag geraucht. Die Polizei verständigt nicht Renata, sondern Konrads Mutter. Und die wird dafür sorgen, dass der tote Sohn wieder „nach Hause“ kommt, fort aus dem bösen Wien, heim ins heilige Land Tirol. Mit all seinem Hab und Gut, das sich der kleine, unfähige Bruder unter den Nagel reißen wird. Frau Mutter wird dafür sorgen, dass Konrad in Tirol begraben wird. Samt katholischem Brimborium. Obwohl er das gehasst hat. Das Katholische, das Konservative, die Provinz und das scheinheilig Familiäre. Renata, die seit 25 Jahren die Tiroler Mutter-Sohn-Idylle stört, hat nichts mehr mitzureden. „Sie lassen dich nicht mehr fort“, sagt Renata zum toten Konrad. „Sie behalten dich für immer dort, wo du nie begraben sein wolltest.“
Die aus Südtirol stammendende Wiener Autorin Sabine Gruber schreibt in „Die Dauer der Liebe“ davon, wie es ist, wenn man die Liebe seines Lebens verliert. Wenn man versucht, einen Zipfel des plötzlich Vergangenheit Gewordenen festzuhalten. Renata sucht den Geruch ihres Liebsten in seiner getragenen Wäsche und will nicht mehr staubsaugen, damit ihr wenigstens seine Hautschuppen bleiben. Halt geben ihr Freunde wie der Fotograf Bruno und die schwerkranke Marianne, der sie die Jahre, die Konrad genommen wurden, gerne „als Guthaben überweisen“ würde. Energie zum Weitermachen gibt ihr nicht zuletzt ein Rätsel um ein mögliches Doppelleben Konrads, der als Architekturfotograf gerne nach Italien reiste – oft mit ihr, oft allein.
Wer Trauer kennt, der weiß, dass sie auch Raum für andere Gefühle lässt. Wut zum Beispiel. Auf die bigotte, geizige Herkunftsfamilie Konrads. Auf die Mutter, die Krankheiten erfindet, um im Mittelpunkt zu stehen und auf echtes Leid eifersüchtig ist (der Nachbar im Rollstuhl simuliere, ist sie überzeugt). Auf den Bruder, der sich an Konrads Kunst bereichert, ohne sie zu verstehen. Renata schaut tatenlos zu, das schürt auch Wut im Leser.
Wunderbar komische Momente bieten Renatas halbherzige Versuche, jemanden neuen zu finden. Wie sich Männer auf Tinder präsentieren! Als Autofetischisten, Hundeschmuser, Meerurlauber. Taugt zum Quartett spielen, zu mehr nicht. Man lacht, leidet und lernt mit Renata, für die es vielleicht doch eine Perspektive gibt. Aber nicht auf Tinder.