„Empusion. Eine natur(un)heilkundliche Schauergeschichte“ ist ein bewusster Verweis auf Thomas Manns Kurort-Roman „Der Zauberberg“. Zuweilen auch in Sprache und Ton. Anders jedoch als Manns Hauptfigur Hans Castorp ist Tokarczuks Protagonist Mieczyslaw Wojnicz, Ingenieurstudent aus Lemberg, tatsächlich krank. Er leidet an Schwindsucht und hofft, dass die gute Luft in diesem Ort, „adrett wie die Zeichnung auf einer Lebkuchendose“, ihn heilen kann. Wenig ermutigend klärt der Arzt ihn auf, dass Schwindsucht auf Latein Phthisis heißt – Zerfall. „Aber mit dem Zerfall kommen wir hier zurecht.“
Beruhigend? Wie die Tatsache, dass Görbersdorf keinen Friedhof hat? Ewa, weil man keinen braucht?
Mieczyslaw wird bald vom Gegenteil überzeugt. Zunächst steigt der Schwindsüchtige in einem Gästehaus für Männer ab, wo er Mitpatienten wie den Sozialisten August August aus Prag, den Katholiken Longinus Lukas aus Königsberg und den Malereistudenten Thilo von Hahn aus Berlin trifft. Man diskutiert die europäische Lage und darüber, was im Dorf los ist. Da gibt es viel zu erzählen. Die vermeintliche Idylle entpuppt sich bald als Horrorschauplatz. Kaum ist Mieczyslaw angekommen, liegt schon die Frau des Wirts tot auf dem Tisch. Angeblich Selbstmord. Was zu allerhand Spekulationen über das unzulängliche Wesen der Frau an und für sich führt. Und dazu, dass der Gehilfe des Wirts an diesem Abend kochen muss. Der Tafelspitz gerät ein wenig zäh.
„Seltsame Dinge“ geschehen hier, wird berichtet. Die Wirtsfrau sei verschwunden, weil sie sich nicht „an die Regeln“ gehalten habe. Junge Männer habe man im Wald gefunden, in Stücke gerissen. Und vor Jahrhunderten seien hier Frauen wegen Hexerei gefoltert und ermordet worden. (Frauenhass rächt sich, wie sich zeigen wird.)
Mieczyslaw weiß nicht, was er von all dem glauben soll. Sind das Fantasien fiebernder Todgeweihter? Ist es der Alkohol? Bei einem Ausflug beobachtet er Schauderhaftes: Ein eigenartiges Licht, zurückgeworfen von Fichten und Tannen, fällt auf seine Mitpatienten, die der Wirt gerade fotografiert hat. Für einen Augenblick verwandeln sich ihre Körper zu Asche.
Wandelnde Tote in romantisch-schauriger Natur, die mehr ist als Kulisse des Grauens: Sie ist selbst Protagonistin dieser feministischen Horrorstory, für deren Verfilmung Tokarczuk das Drehbuch gleich mitgeschrieben zu haben scheint.