Jane Campbell: Keine Angst vor alten Säcken!

Jane Campbell: Keine Angst vor alten Säcken!
Wunderbar bissige Shortstorys über eigensinnige alte Frauen

 Da sind die betuchten Pensionisten mit ihren Gummistiefeln und Barbourjacken, die die Strände an der Westküste Englands bevölkern, und die Erzählerin fragt sich, ob sie sich irgendwie von diesen „grässlichen Leuten“ unterscheidet oder ob sie „genau so dumm und unattraktiv“ ist. Was sie bestimmt unterscheidet: Sie hat keinen Hund. „Dafür bin ich zu egoistisch.“ Außerdem ist sie eine „abgetakelte Fregatte, aber ich habe keine Angst vor Männern, und wenn diese alten Säcke das merken, nehmen sie es als Herausforderung.“

Das literarische Debüt einer über 80-Jährigen stellt man sich möglicherweise sanftmütig oder weise vor. Die Storys der 1942 geborenen Autorin Jane Campbell sind das mitnichten. Das kommt vielleicht daher, dass Campbell lange Zeit als Psychoanalytikerin gearbeitet und tief in die Seelen der Menschen geschaut hat. Ihre 13 Heldinnen, durchwegs ältere Frauen wie Campbell selbst, haben keine Lust, harmlose betagte Damen zu sein, wie im 2017 auf Englisch veröffentlichten, nun auch auf Deutsch vorliegenden Erzählband „Kleine Kratzer“ nachzulesen ist. Sie sind eigensinnig, beharrlich und ziehen ihre Sache durch, um jeden Preis.

Jane Campbell: Keine Angst vor alten Säcken!

Jane Campbell:
„Kleine Kratzer“
Übers. v. Bettina Abarnell.
Kjona.
192 Seiten.
25,40  Euro

Da ist etwa die titelgebende Story, „Kleine Kratzer“, in der sich die pflegebedürftige Nell in ihre Jahrzehnte jüngere Pflegerin verliebt. (Den Biskuitkuchen hätten sich Tochter und der Schwiegersohn sparen können.)

Oder die Protagonistin der Erzählung „Katzenbuckel“, die nicht mehr allein wohnen kann, aber deshalb lange nicht auf ihre körperlichen, ja, sexuellen Bedürfnisse vergessen hat. Ihre Umgebung freilich glaubt, sie interessiere sich bloß fürs Stricken. Haben die eine Ahnung. BB