Harald, ein Typ wie ein Golden Retriever

Harald ist ein Mann wie ein Hund. Er hat was von einem Golden Retriever. Groß, blond, arglos, ungestüm. Das Gegenteil seiner Mutter. Wenn Haralds Mama deinen Namen ruft, klingt es, „wie wenn man in der Sprechstunde beim Onkologen aufgerufen wird. Ein Todesurteil.“
Ein kleiner Flughafen im Norden Schwedens. Eine Frau Anfang dreißig trifft eine Frau Mitte siebzig. Erstere ist Haralds Freundin, die zweite ist Haralds Mutter. Sie sind hier, um den tablettensüchtigen Harald nach einer Entziehungskur nach Hause zu holen. Aber wo ist dieses Zuhause? Beide, Freundin und Mutter, beanspruchen den eifrigen, stets bärenhungrigen Harald, dessen Hemden immer über dem Bauch aufspringen, und selbst, wer allfällige Konkurrenz zwischen Partnern und Schwiegereltern kennt, fragt sich bald: Warum eigentlich?
Mit ihrem zweiten Roman „Haralds Mama“ ist der 1988 in Stockholm geborenen Johanna Frid eine sehr schwarze Komödie gelungen, die unerbittlich Beziehungsmuster und Verhaltensweisen ihrer Generation seziert und heutige, in Skandinavien besonders ausgeprägte Identitätsdiskurse und Lifestyle-Debatten auf die Schaufel nimmt.
Anders als im Titel angedeutet, geht’s hier nicht vordergründig um die klischeehaft böse Schwiegermutter. Denn mit fortschreitender Handlung stellt sich vor allem die Frage, wer in dieser Geschichte den größeren Vogel hat. Die Konkurrenz unter den dreien ist groß. Die Erzählerin ist mit einem „Cross-over-Wissenschaftsprojekt“ zum Thema „Konstruktionen von Maskulinität und Kaste im Übergang zum Kapitalismus“ beschäftigt, und zwar auch noch, als längst offenkundig ist, dass ihre Thesen nicht die Schlüsse ergeben, auf die sie gehofft hatte, nämlich „...etwas zwischen Phänomenologie und Don Draper.“ Sie wird zunehmend passiv, bekommt rätselhafte Schwindelanfälle und hält ihre Schwiegermutter für einen Teufel. Diagnose: „Psychischer Stress.“ Ihr Freund Harald will als Anwalt um soziale Gerechtigkeit kämpfen, verliert sich in der Verteidigung eines Schwerstkriminellen, regt sich aber wahnsinnig auf, wenn im staatlichen Alkoholgeschäft Wein aus Kalabrien neben der Toskana steht. Und seine Mutter hält sich noch immer für die revolutionäre Linke, die sie 1968 angeblich war.

Johanna Frid:
„Haralds Mama“.
Übersetzt von Susanne Dahmann.
Eichborn.
320 Seiten.
24,95 Euro
Wobei die feinsinnige Beobachterin Frid immer diskret bleibt, nie übertreibt. Aber allein schon ihre Beschreibung des Klaustrophobie erweckenden kleinen Flughafens, auf dem es dann auch noch zu schneien beginnt und alle Weiterreisemöglichkeiten verebben, ist großartige, beängstigende Satire. Frid wurde für ihre Darstellung menschlicher Abgründe von schwedischen Kritikern mit dem Abgrund-Spezialisten Strindberg verglichen. Das passt, es kommt noch eine Portion Freud dazu, den die Erzählerin zitiert: „Angst heißt, sich zu fürchten, ohne zu wissen, wovor.“ Ein bodenlos böses Buch.