Wenn die deutsche Hauptstadt in Elefantenscheiße versinkt

2024 erschütterte ihre Großwildjagd-Story „Trophäe“ mit Fragen nach dem Wert des Menschen. Was kommt nach den „Big Five“, den begehrtesten Jagdtrophäen? Und mit welchem Recht zwingen Europa und Amerika einem afrikanischen Land ihre Vorstellungen von Moral und sogenannter Zivilisation auf?
Thematisch ähnlich, wenn auch (ein bisschen) weniger radikal geht die flämische Autorin Gaea Schoeters in ihrem neuen Roman vor. „Das Geschenk“ ist eine fein beobachtete, vergnüglich-boshafte Politsatire, die man gerne liest. Vorausgesetzt, man denkt nicht darüber nach, wie wenig weit Satire und Realität hier voneinander entfernt sind.
In „Das Geschenk“ werden statt Nashörnern Elefanten gejagt. Oder besser gesagt: Nicht mehr gejagt. Der wahre Hintergrund: Als Botswanas ehemaliger Präsident Mokgweetsi Masisi vergangenes Jahr vorschlug, aus Protest gegen europäische Trophäenimportverbote 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken, sorgte er weltweit für Schlagzeilen.
Und bot Gaea Schoeters eine perfekte Romanvorlage, wie sie im Gespräch mit dem KURIER sagt. Wie auch in „Trophäe“ ging es für sie dabei um die Frage, warum Europäer beziehungsweise Amerikaner glauben, „Afrikanern erzählen zu müssen, wie sie sich zu verhalten haben.“ Es ging um vermeintliche moralische Überlegenheit. „Botswanas Präsident wollte damit sagen: Schön und gut, wenn ihr unsere Elefanten so super findet. Aber habt ihr eigentlich eine Ahnung, was das für unsere Bauern bedeutet?“ Schließlich gelten Jagd und Jagdtourismus in Botswana als wichtiges Mittel zur Regulierung des stark angewachsenen Elefantenbestandes. Das „Geschenk“, das Botswanas Präsident damals (und vor Kurzem erneut) Berlin angeboten hat, trifft in Gaea Schoeters Politsatire dann tatsächlich ein.
Ein gefundenes Fressen
Die deutsche Hauptstadt versinkt in Elefantenscheiße, die Tiere trampeln die Stadtparks nieder und selbst die Baby-Elefanten sind nur bedingt maskottchentauglich, wie auch gewiefte Polit-PR-Berater lernen müssen. Ein Albtraum für die Regierenden, ein gefundenes Fressen für den Boulevard und für populistische Politiker, die, den Protest von erzürnten Bauernvertretern im Rücken, die Regierung bereits am Abgrund sehen. Abgesehen vom realen Hintergrund dieser Geschichte: Könnten die Elefanten auch eine Metapher sein? „Man könnte die Elefanten natürlich als Metapher für die Flüchtlingskrise lesen. Das sind sie teilweise auch, aber nicht nur. Der Elefant steht für alles, was wir eigentlich nicht sehen möchten und wovor wir gerne die Augen verschließen. Vor den Konsequenzen unserer Art zu leben, Politik zu führen, unserer Art, miteinander und mit der Natur umgehen.“
Eine Groteske zu schreiben, das sei wohl der klügste literarische Umgang mit der Tragödie, die sich neuerdings Weltpolitik nennt. Denn Dystopien will jetzt wirklich keiner lesen.

Gaea Schoeters:
„Das Geschenk“
Übersetzt von
Lisa Mensing.
Zsolnay.
144 Seiten.
23,95 Euro