Elisa Hoven: Verbrechen und keine Strafe

Niemand ist unschuldig. Jeder Mensch trägt Abgründe in sich.
Das ist die Erkenntnis aus Elisa Hovens erstem Roman „Dunkle Momente“. Die 1982 in Berlin geborene Strafrechtlerin hat von Cambridge bis Harvard Genese und Folgen von Verbrechen erforscht und angeblich eine „Leidenschaft“ für das Thema Strafrecht. Ob sie dabei auch ihre Leidenschaft für das Thema Mensch behalten konnte, ist nicht bekannt. Wer die hier beschrieben Fälle liest, dem drängt sich diese Frage aber durchaus auf.
Hoven wird als „weiblicher Schirach“ verkauft, und das ist nicht so falsch. Wie der Kollege beschreibt sie die Ambivalenz einer jeden Causa und führt den Leser gekonnt auf falsche Fährten. Die Rahmenhandlung bildet die Erzählung von Strafverteidigerin Eva Herbergen, die hier Fälle rekapituliert. Sie hat Menschen vor dem Gefängnis bewahrt und sich am Ende nicht selten gefragt, ob diesfalls Recht noch irgendwas mit Gerechtigkeit zu tun hat. Die berühmte Autorin etwa, die in vorgeblicher Notwehr ihren Bruder erschlagen hat – sie hat ihre Verteidigerin dann doch ziemlich überrascht. Oder die Stiefmutter, der ein Missgeschick mit dem ihr anvertrauten Kind passiert: Sie reagiert anders, als ihre Verteidigerin es erwartet hat. Gut gemachter Pageturner, in dem man erfährt, was man eh wusste: Die Seele ist ein weites Land.

Elisa Hoven:
„Dunkle
Momente“
S. Fischer.
332 Seiten.
23,50 Euro