Die Familie Uccello besitzt seit Generationen eine Weberei. Der todkranke Großvater Paolo, der als junger Mann um den Erhalt des Unternehmens gekämpft hat, offenbart Enkel Nico in seinen letzten Stunden ein Geheimnis. Im Herbst 1943 hat Paolo einem jüdischen Geschwisterpaar im heruntergekommenen Familien-Palazzo Unterschlupf gegeben. Als die Deportation der gesamten jüdischen Gemeinde Venedigs drohte, musste Paolo eine schwerwiegende Entscheidung treffen, über die er erst jetzt, in seinen letzten Stunden, bereit ist zu sprechen.
Hintergrund: Die Insel Ghetto im Stadtteil Cannaregio war jahrhundertelang das abgeschlossene Wohngebiet für die jüdische Bevölkerung Venedigs und wurde Namensgeberin aller Ghettos. Verfolgt und unterdrückt wurden sie schon zuvor unter den Faschisten. 1943, nach dem Einmarsch der Deutschen in Italien, wurden die meisten der noch im Ghetto lebenden Juden deportiert und ermordet. Giuseppe Jona, Arzt und Vorsteher der jüdischen Gemeinde, verweigerte sich dem Befehl der Nazis, ihnen die Liste aller in der Stadt ansässigen Juden zu übermitteln. Er verbrannte sie und beging Selbstmord, um weitere Deportationen zu verhindern.
Partisaninnen
Hier setzt nun Hewsons Roman ein, der dieses Kapitel deutsch-italienischer Geschichte als mitreißender, gut recherchierter Krimi erzählt. Der Autor hat dafür drei Jahre in Venedig verbracht und stimmige Schauplätze aufgetan. Für die Darstellung der Weberei der Familie Uccello ließ er sich von der Werkstatt der Firma Bevilacqua inspirieren, auf deren historischen Jacquardwebstühlen noch immer traditioneller Seidensamt hergestellt wird.
Weniger pittoresk ist ein weiterer Schauplatz: das Denkmal zu Ehren der venezianischen Partisaninnen nahe der Vaporetto-Haltestelle Giardini, das eine auf Wasserhöhe liegende gefesselte Frauenfigur zeigt. Meist von den daran vorbeiziehenden Touristenmassen unbeachtet, weist es auf die Besetzung der Stadt durch die Nazis und den Widerstand dagegen hin.
Hewsons Roman lenkt den Blick auf jene Orte des Erinnerns. Nach dieser Lektüre wird man Venedig mit anderen Augen sehen.