Bruno Kreisky: Licht und Schatten eines Staatsmannes

ARCHIVBILD: BRUNO KREISKY, YASSER ARAFAT
Daniel Aschheim stellt in seinem Buch „Kreisky, Israel und die Juden“ den legendären österreichischen Bundeskanzler mit all seinen Widersprüchen dar.

Er war die österreichische Nachkriegspersönlichkeit, die, zumindest im Nachhinein, über sämtliche Parteigrenzen hinweg Respekt auslöste: Bruno Kreisky, sozialdemokratischer Bundeskanzler Österreichs von 1970 bis 1983, wird heute noch verehrt – von links bis weit rechts.

Auch als internationaler Staatsmann hat er sich einen Namen gemacht, vor allem wegen seiner frühen Unterstützung für die sogenannte Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Das und seine mitunter harsche Kritik an der israelischen Politik sind der Grund, warum viele Israelis ein anderes Bild von ihm haben.

Der israelische Diplomat Daniel Aschheim, geboren 1988, wirft einen differenzierten Blick auf die Politlegende, der die oft nahezu hagiografische Kreisky-Darstellung in Österreich etwas zurechtrücken könnte.

Aschheim ist jeglicher Vorurteile unverdächtig: Erst im Studium erfuhr er, dass man im Geburtsland Adolf Hitlers 25 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur einen Juden zum Bundeskanzler gewählt hatte. Aschheim begann zu recherchieren, befragte Zeitzeugen und Weggefährten wie den Kreisky-Vertrauten Wolfgang Petritsch oder den Historiker Wolfgang Maderthaner und schrieb eine Dissertation, die 2022 als Buch veröffentlicht wurde und jetzt in deutscher Übersetzung aufliegt.

Kreisky wird hier in all seinen Widersprüchen dargestellt. Auch als Pionier in Nahost-Fragen, der sich als Vermittler und eine Zweistaatenlösung als unabdingbar im Friedensprozess sah.

Marchegg-Entführung

Aschheim untersucht Kreiskys komplexe Beziehung zum Judentum, zum Staat Israel sowie die Frage, inwieweit Kreiskys eigenes Judentum seine Handlungen beeinflusste. Etwa den Umgang mit der „Opfer-Doktrin“.

Auch der Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre von 1975 wird viel Platz eingeräumt. Ausgelöst durch die Enthüllungen des als „Nazijäger“ bekannten Simon Wiesenthal über die SS-Vergangenheit des FPÖ-Vorsitzenden Friedrich Peter, den Kreisky als Politpartner erkoren hatte. Kreisky verteidigte Peter vehement und zeigte dabei ein gewisses Verständnis für NS-Täter. Er attackierte Wiesenthal öffentlich und warf ihm politische Motivation vor.

Wie ein Krimi liest sich auch die Affäre um die Geiselnahme von Marchegg 1973: Es gibt Indizien, diese sei ein Ablenkungsmanöver für den Überraschungsangriff ägyptischer und syrischer Streitkräfte auf Israel wenig später gewesen. Die Episode zeigt die Komplexität und Ambivalenz von Kreiskys politischen Entscheidungen in Bezug auf Judentum, Israel und Zionismus.Barbara Beer

46-214748330

Daniel Aschheim: „Kreisky, Israel und die Juden“, Ecowing, 208 Seiten, 28,00 Euro