Brian Wilson ist tot: Als "Beach Boy" schrieb er Lieder auf der dunklen Seite des Strands

Wenn man nicht so genau hinhört, dann sind die Beach Boys nichts weiter als Begleitmusik für einen Tag am Meer: simple Melodien, schöner Gesang, sonnige Gefühle.
Die hohe, in der Pophistorie unübertroffene Kunst der Band um Brian Wilson aber war, über diese Surfer-Klischees eine beklemmend schöne, auch emotional hochkomplexe und noch dazu oftmals tieftraurige Musik zu transportieren.
Da muss man gar nicht auf das tief nach unten in unheimliche Schicksalsgefilde reichende „God Only Knows“ verweisen, mit seinem sich drehenden Kanon über die Flüchtigkeit des Glücks.
Es reicht schon, bei „Fun Fun Fun“ auf den haltlos in der Luft stehenden Refrain zu hören; der Song ist die Behauptung eines leichten Lebens, ein fast rituelles Beschwören der Illusion von Spaß, jenes wackeligen Fundaments, auf dem sich der amerikanische Traum ein gut gebräuntes, lächelndes Gesicht zu geben versuchte.
Abwärtsspirale
Die Musik der Beach Boys war zugleich eine Art Vorhall auf das komplizierte, vielschichtige, auch tragische Leben von Brian Wilson.
Wilson war Haupt-Songwriter der Band in ihren besten Jahren – und stand danach exemplarisch für jene Abwärtsspirale, in die manche Stars die Popwelt fallen. Drogenmissbrauch und jahrzehntelange psychische Schwierigkeiten färbten Wilsons Leben nach den Beach Boys dunkel nach.
Mitte der 1960er stand er mitten in der Sonne: Songs wie „Surfin’ USA“ oder „California Girls“ waren der Soundtrack eines jungen Amerika, das zwischen Korea- und Vietnamkrieg mit aller Energie leben wollte. Die Beach Boys sangen eine Unbeschwertheit zwischen großen Autos, gutaussehenden Sportlertypen und schönen Mädchen herbei, die natürlich hochfragil war.
Und sie taten das mit ihrem Markenzeichen, jenem vielstimmigen Gesang, der bis heute unmittelbar ins Ohr geht. Ein Dutzend Top-Ten-Hits entstanden so, etwa auch „I Get Around“ oder „Good Vibrations“.
Dass Wilson selbst lieber als zu surfen im Studio an hochdiffizilen Arrangements arbeitete, das konnte man hinter dem sonnigen Gute-Laune-in-der-freien-Natur-Image der Band gut verstecken. Sein Meisterwerk – und eine kommerzielle Enttäuschung – war das Album „Pet Sounds“, das als eines der besten Alben der Popgeschichte gilt.
Danach aber kämpfte Wilson zunehmend mit seinen inneren Dämonen. „Smile“, sein nächstes Albumprojekt, blieb auf Jahrzehnte unvollendet. Als er es 2004 doch noch veröffentlichte, wurde er von einem Ex-Bandkollegen auf Schadenersatz verklagt.
Dazwischen lagen schwierige Jahre. 1982 schmiss ihn die Band hinaus. Wilson hatte Halluzinationen und wurde von einem Therapeuten mit untragbaren Methoden behandelt. Auch seine Familiengeschichte – sein Vater war ein brutaler Tyrann – beeinflusste seine mentale Gesundheit. Er verfing sich in Rechtsstreits um seine Musik.
Demenz-Erkrankung
Wilson war zuletzt an einer Art Demenz erkrankt und stand unter Vormundschaft. Im vergangenen Jahr war seine langjährige Ehefrau im Alter von 77 Jahren gestorben. Gemeinsam hatte das Paar fünf Kinder adoptiert, zudem hatte Wilson zwei Kinder aus einer vorherigen Ehe.
Sein Geniestatus aber blieb ihm unbenommen: Wilson gilt als einer der größten Songwriter und Produzenten überhaupt. „Du hast mich mit deiner Musik zum Weinen gebracht“, sagte Paul McCartney einmal.
Nun ist Wilson 82-jährig gestorben, wie seine Familie auf Instagram mitteilte.
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