Brian Wilson: Herzausreißer im Hawaiihemd

Brian Wilson von The Beach Boys kommt bei der 54. jährlichen Grammy-Verleihung in Los Angeles, Kalifornien, an.
Von Missverständnissen und einem letzten Brian-Wilson-Konzert.

Ein Liebeslied, das mit Waldhörnern beginnt. Das hatte man, als das Stück 1966 auf dem Album „Pet Sounds“ erschien, noch nicht gehört. Und dann dieser Titel. God Only Knows. Brian Wilson hat das Lied geschrieben und produziert, der Text stammt von Tony Asher, die Leadstimme sang Brians Bruder Carl.  

God only knows, Gott allein kennt die Antwort. Ein angebrachter Song in diesen rätselhaften Tagen. Eine innige Hymne, die einen umarmt und doch verwirrt zurücklässt. Sie ist, wie so vieles, das die Beach Boys hervorgebracht haben, in ihrer vorgeblichen Schlichtheit faszinierend vielschichtig. Da stellt einer in klarstem Harmoniegesang beinhart fest, dass es sein kann, dass er  den, an den sich sein Song richtet, nicht sein Leben lang lieben wird. Aber God only knows, Gott allein weiß, was er ohne den anderen wäre.

Vielstimmig, komplex und leicht misszuverstehen waren die meisten von Brian Wilsons  Liedern.   
Angeblich waren die Beach Boys ja die Lieblingsband von Ronald Reagan. So wie Bruce Springsteen lange Zeit  der Lieblingssänger vieler Amerikaner war, die dachten, „Born in the USA“ sei wörtlich zu lesen. Die  Beach Boys waren ebenso wenig eine lupenrein lustige Surferband  wie Springsteen ein unkritischer Apologet des Amerikanerseins. 
Brian Wilson schuf mit den Beach Boys einen nie da gewesenen Sound. Herzausreißer im Hawaiihemd. Mitschunkeln sei jedem unbenommen. Mitheulen ebenso. Um den Abgrund hinter Good Vibrations zu hören, muss man nicht wissen, dass Wilson an Depressionen litt.  

Als Wilson 2017 ein letztes Mal live in Wien zu hören war, waren wohl Anhänger beider Lesarten da.  Die, die  Fun Fun Fun wollten. Und die, die wussten, wie der perfekte Schöngesang der Beach Boys einst zustande gekommen war – durch eiskalten, gewalttätigen Drill des tyrannischen Vaters. Dass die  Zeit  ihre Spuren hinterlassen hatte, war deutlich an diesem Abend. Doch der Jubel für den damals 75-Jährigen war groß. Brian Wilson ist jetzt mit 82 gestorben. Irgendwo war zu lesen, er sei der Mozart der Popmusik gewesen. Vielleicht ist das gar nicht besonders übertrieben.