Autor Péter Nádas: "Hass ist unbändig geworden“

Autor Péter Nádas: "Hass ist unbändig geworden“
Der große ungarische Schriftsteller ist Stargast bei „Literatur im Nebel“. Im KURIER sinniert er über Oligarchen in Ungarn und das „blühend korrupte Bürgertum“ in Österreich.

Er ist ein europäischer Großmeister des Erzählens; im Zentrum seines Werkes stehen die verheerenden Ideologien des 20. Jahrhunderts und die Schrecklichkeiten, die diese Ideologien im Leben der Menschen anrichten.

Die hat Péter Nádas ausgebreitet in zwei Riesenromanen, im 1.300 Seiten starken „Buch der Erinnerung“, mit dem er Anfang der 1990er im deutschsprachigen Raum den Durchbruch schaffte, und in den noch umfangreicheren „Parallelgeschichten“.

Als „großen Vermesser der europäischen Seelenlandschaft“ bezeichnet die Literaturkritikerin Iris Radisch den ungarischen Autor, als „bedeutendsten lebenden Schriftsteller Osteuropas“. Von dort aus ist Österreich natürlich nicht weit, die Grenzen sind fließend und durchlässig, nicht nur die echten Grenzen, sondern auch die gesellschaftspolitischen. Umso interessanter, lohnender der Blick Nádas’, den dieser auf die Alpenrepublik richtet: Das wird sicher auch Thema im Herbst sein, wenn Nádas als heuriger Ehrengast zu Literatur im Nebel (6. und 7. Oktober 2023) nach Heidenreichstein kommt. Und dieser Blick ist ein Thema in jenen Fragen, die Nádas nun dem KURIER beantwortet hat.

KURIER: Sie haben in Ihrem bisher letzten Interview (mit der NZZ) gesagt: „Die Wahrheit ist vernichtet“, in Hinblick auf die Gegenaufklärung, den Hass und die gesellschaftlichen Rückschritte u. a. in Ungarn, Russland und Brasilien. Aber ist nicht die Literatur ein Ort, an dem zumindest einige Menschen über die Grenzen hinweg noch gemeinsame Wahrheiten finden?

Péter Nádas: Doch, Kunst und Literatur können einen besonderen Raum schaffen. Sogar im Krieg, in der Diktatur. Eine eigene Wahrheit aber kaum. Blut ist ein ganz besonderer Saft, wie uns Goethe sagt. Wahrheit ist ein ganz besonderes Gemeingut. Sie besteht aus sorgfältig geprüftem Wissen, sicher aber nicht aus Meinungen. Wir sind in eine Gesellschaft der haltlosen Meinungen gerutscht. Wissen ist dadurch démodé geworden. Durch Meinungen kommt man jedoch nicht nur nicht zu Wahrheiten, sogar zu einfacheren Fakten nicht.

Vorschau.

Seit 2006 wird Heidenreichstein im nördlichen Waldviertel einmal im Jahr zum Schauplatz des Festivals „Literatur im Nebel“: Eine Autorin oder ein Autor von Weltrang steht dabei jeweils im Mittelpunkt, prominente Autorenkollegen, Schauspielerinnen und Schauspieler lesen aus den Werken des jeweiligen Ehrengasts. Schauplatz ist die „Margithalle“, ein Art Scheune, die Jahr für Jahr zwei Tage lang zum ländlichen Kulturtempel wird.

Die Bezeichnung „Tempel“ kommt dabei nicht von ungefähr. Denn eines der besonderen Merkmale von „Literatur im Nebel“ ist die Offenheit gegenüber Autoren unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse und Kulturen.

Heuer findet die Veranstaltung am 6. und 7. Oktober statt.

Ehrengast heuer ist Péter Nádas. Der Schriftsteller wurde am 14. Oktober 1942 in Budapest geboren. Den Holocaust überlebte er mit seiner Familie in Verstecken und mit falschen Papieren. Die Eltern waren überzeugte und dann enttäuschte Kommunisten. Nádas wurde einer der größten Erzähler Europas. Sein bisher letzter Roman „Schauergeschichten“ erschien 2022.

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