Zum Niederknien: 75 Jahre Atlantic Records

Atlantic Records
Ein mächtiger wie prächtiger Bildband würdigt das legendäre Musiklabel aus New York, das bereits unzählige Stars hervorgebracht hat – und lange Zeit im Musikbusiness den (guten) Ton angab.

Bis zum ersten veritablen Hit hat es nicht lange gedauert. Nur vier Jahre nach Gründung von Atlantic Records am letzten Tages des Jahres 1947 durch Ahmet und Nesuhi Ertegün, Söhne des türkischen Botschafters in den USA, wurde „Chains of Love“ von Joe Turner zu einem veritablen Hit. Ein Jahr später gelang dem New Yorker Plattenlabel ein weiterer Chart-Erfolg: Ruth Browns „5-10-15 Hours“ verkaufte sich millionenfach und spülte ordentlich Geld in die Kassa.

Die Gründung von Atlantic Records erfolgte in einer Zeit, in der die Musikindustrie von einer technischen Neuerung profitierte: Die bis dato üblichen Schellackplatten wurden von Vinyl ersetzt. Die Platten waren wesentlich leichter, biegsam, fast unzerstörbar– und lieferten einen wesentlich besseren Sound. Parallel setzte sich das LP- und Single-Format mit den Geschwindigkeiten 33 1/3 und 45 Umdrehungen pro Minute durch, was den Verkauf von Plattenspielern und Jukeboxen ankurbelte. Das wiederum war der Motor für die Verkaufszahlen von Schallplatten, denn bald stand in jedem Haushalt ein Plattenspieler herum.

Was die Sound-Qualität betrifft, wollte Atlantic Records neue Maßstäbe setzen. Dafür kaufte man 1958 als erstes Plattenstudio weltweit ein nagelneues Acht-Spur-Ampex-Stereo-Aufnahmegerät, das die bis dahin gängige Audiotechnik revolutionierte.

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Aretha Franklin kam 1966 zu Atlantic Records. Nach ihrem Wechsel erreichte ihrer Karriere einen Höhepunkt: Im Jahr 1967 veröffentlichte sie „I Never Loved a Man (The Way I Love You)“, „Respect“ und „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“. 

Hit-Garantie

Der Bildband, der sich an Musikliebhaber und Plattensammler richtet, spannt den Bogen von den Anfängen des Labels bis heute – von LaVern Baker über Aretha Franklin bis Janelle Monáe, von den Allman Brothers über Led Zeppelin bis zu Coldplay. Die gereichten Bilder stammen von Größen wie Annie Leibovitz, Albert Watson, David LaChapelle, Jim Marshall. Mit diesen Aufnahmen taucht man auf über 460 Seiten ein in eine Welt, die es heute so nicht mehr gibt. Sie bieten einen Streifzug durch die Vergangenheit, sieht Bilder von ikonischer Tragweite: Led Zeppelin vor ihrem Privatjet, von Crosby, Stills, Nash & Young auf Stadiontour vor 75.000 Besuchern oder jenes von Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richards, das ihn beim Zoll neben einem Plakat mit der Aufschrift „Bitte Geduld, ein drogenfreies Amerika hat Vorrang“ zeigt.

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Crosby, Stills, Nash & Young spielen „Suite: Judy Blue Eyes” vor 75.000 Zuschauern im Oakland-Alameda County Coliseum während ihrer Sommer-Reunion-Tour, 1974. 

Das Label produzierte in den 50ern- und Anfang 60er-Jahren einen Hit nach dem anderen. Es herrschte Goldgräberstimmung. Doch die Konkurrenz schlief nicht. Mitte der 60er-Jahre sanken bei Atlantic Records erstmals die Verkaufszahlen, der Markt wurde enger, die Macht der großen Musikkonzerne größer. Um das Unternehmen am Leben zu halten, entschloss sich das Label, das sich bis dahin hauptsächlich auf Soul- sowie Rhythm-&-Blues-Acts spezialisiert hat, weiße Rockbands zu signen. 1971 gelang es Labelgründer Ahmet Ertegun nach langen Verhandlungen, die Rolling Stones zu Atlantic zu lotsen, wo sie bis Anfang der Achtziger blieben. Und die Stones sollten auch das letzte Live-Erlebnis seines Lebens sein: 2006 besuchte er, 83-jährig, in New York ihr „Shine A Light“-Konzert, stürzte dabei auf einer Treppe und starb später an seinen Kopfverletzungen.

Mit Popstars wie Ed Sheeran, Cardi B und Bruno Mars war man zu diesem Zeitpunkt längst Teil des Unterhaltungsgiganten Warner. Apropos Mars: Der gestaltete das Vorwort zum Bildband. Darin beschreibt er den speziellen „Atlantic Sound“, dessen Auswirkung auf die Popkultur und seine eigene Karriere.

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„75 Years of Atlantic Records“. Taschen Verlag. 462 Seiten. 150 Euro

INFOS zum Buch: „75 Years of Atlantic Records“. Taschen Verlag. 462 Seiten. 150 Euro. 

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