Arnulf Rainer konstatiert viele "stümperhafte Fälschungen"
Man hat keine Kosten und Mühen gescheut, um der Sache einen hochseriösen Anstrich zu geben: Am kommenden Dienstag wird im Oratorium der Nationalbibliothek das Buch „Heiße Tage auf Teneriffa“ präsentiert; es liest Burg-Schauspieler Florian Teichtmeister.
Der Band, herausgegeben von der Kunstsammlerin Brigitte Löw-Radeschnig, verspricht geradezu Sensationelles: „Zwischen 2010 und 2014 hat Arnulf Rainer auf Teneriffa Hunderte Werke geschaffen“, heißt es in der Einladung. „Aus dem persönlichen Umfeld (des Malers, Anm.) wird immer wieder in den Raum gestellt, diese Bilder seien ,gefälscht‘ oder ,unterschlagen‘ worden.“ Die Publikation beweise aber das Gegenteil: „mit Fotografien, die Rainer beim Malen zeigen, und mit Statements derer, die auf Teneriffa dabei waren“.
Pornografisches Material
Die Herausgeberin besitzt eine beachtliche Zahl an Werken, die damals auf Teneriffa, im Winterdomizil des Malers, entstanden sein sollen. Es handelt sich, wie so oft bei Arnulf Rainer, um Übermalungen.
Grundlage bilden Fotografien, die der Holländer Rene Rietmeyer nach Vorgaben und Wünschen des Künstlers angefertigt habe: Karlyn de Jongh, Sarah Gold und andere Frauen hätten nicht nur erotische Zeichnungen von Gustav Klimt und Egon Schiele nachgestellt, sondern auch – etwa unter dem Titel „Bondage“ – pornografisches Material geliefert. Und der alte Meister (Jahrgang 1929) sei darauf abgefahren.
Weil Brigitte Löw-Radeschnig mit den Übermalungen auch Mitschnitte von Telefongesprächen erworben hat, die ohne das Wissen von Rainer, also hinterrücks, angefertigt worden waren, ist die Spannung groß. Der Titel „Heiße Tage auf Teneriffa“ spielt wohl nicht grundlos auf „Stille Tage in Clichy“ an. In diesem (auch verfilmten) Roman erzählt Henry Miller harte Sexgeschichten.
Doch der Auktionator Otto Hans Ressler, als Autor angeführt, hat schon jetzt das Geheimnis gelüftet: Er verschickte stolz die Neuerscheinung samt Schimmelbrief – unter anderem an Herrn Professor Rainer. Brigitte Löw könne, schreibt er, nicht nur „die lückenlose Provenienz nachweisen“, sondern sogar „die Echtheit beweisen“.
Klage auf Unterlassung
Arnulf Rainer sah sich am 12. September an, was er geschaffen haben soll. Er kam zu einer klaren Aussage: „Ein größerer Teil der abgebildeten Werke in diesem Buch sind stümperhafte Fälschungen mit falschen Signaturen!“ Er wiederholte somit schriftlich, was er schon vor zwei Jahren behauptet hatte. Und sein Anwalt Alexander Pflaum brachte sogleich eine Klage auf Unterlassung der Verwendung von Fotos ein, die Rainer auf Teneriffa zeigen. Denn: „Diese Bilder werden im Buch als Beweis herangezogen, dass gefälschte Bilder echt sein sollen. Das braucht sich Rainer nicht gefallen zu lassen.“
Die unheilvolle Geschichte begann bereits 2009/’10: Ein holländisches Trio – Rene Rietmeyer, Karlyn de Jongh und Sarah Gold – will ein Künstlerbuch mit übermalten Fotos herausbringen. Hinter dem Projekt stehe eine quasi karitative Stiftung, es fielen für Rainer keine Kosten an – und der Fotograf (eben Rietmeyer) verzichte auch auf das Copyright. Das war ein Lockangebot, dem der Übermaler, seit Nachkriegstagen sparsam, nicht widerstehen konnte. Im Jänner 2011 reiste das Trio nach Teneriffa, es entstanden die ersten Fotos. Und Rainer übermalte sie.
Es dürften sich oft nur um „Zustände“ gehandelt haben – und nicht um fertige Werke: Der Künstler arbeitet mitunter jahrelang an seinen Bildern und nur jene, die als geglückt angesehen werden, verlassen das Atelier. Rietmeyer fotografierte die Stadien ab – und übergab Rainer neue Ausdrucke in diversen Formaten zur nochmaligen Bearbeitung. Daher gibt es von manchen Sujets mehrere Übermalungen. Zudem scannten die Holländer, versiert im Umgang mit Photoshop, Arbeiten sonder Zahl.
Nebenbei organisierte das Trio anlässlich der Biennale 2011 in Venedig eine kunterbunte Ausstellung im angemieteten Palazzo Bembo. Rainer wurde aufgrund mehrerer Vorkommnisse misstrauisch, aber Rietmeyer und die Damen lieferten neue Vorlagen (die nicht auf Teneriffa entstanden sind).
Bilder mit Millionenwert
2013 lieh sich Karlyn de Jongh für eine von ihr kuratierte Ausstellung Bilder von Rainer aus. Statt sie danach zu retournieren, soll sie weitere verlangt haben. Und so schaltete Rainer seinen Anwalt ein: Rietmeyer bzw. die Damen – die Gesprächspartner wechselten immer – wurden aufgefordert, 68 Arbeiten (im Wert von 647.500 Euro) zurückzugeben. Doch nichts geschah. Und plötzlich explodierte die Zahl der Werke, die entstanden sein sollen: einmal war von 1.250 die Rede, ein andermal von 2.500. Als Lohn und Abgeltung des Urheberrechts soll Rietmeyer – laut Standard – 620 Übermalungen erhalten haben. Eine geradezu unglaubliche Summe im Wert mehrerer Millionen Euro.
2017 verkaufte Rietmeyer den größten Teil an Brigitte Löw-Radeschnig. Und diese versucht seither, sie im Kunsthandel weiterzuverkaufen. Das kann aber nur gelingen, wenn die Werke tatsächlich echt sind. Im Jahr 2020 sollten zwei Blätter im Kinsky versteigert werden. Arnulf Rainer äußerte aber gegenüber der Polizei den Verdacht, dass es sich um Fälschungen handeln dürfte – und die Staatsanwaltschaft ließ sie in der Folge beschlagnahmen.
Löw-Radeschnig machte Hannelore Ditz für das Verhalten von Rainer verantwortlich: Die Partnerin des Künstlers sei auf die Models eifersüchtig gewesen. Darüber kann Ditz, seit 47 Jahren mit dem Maler zusammen, nur schmunzeln. Denn ihr Mann hat immer wieder erotische Vorlagen übermalt, wie u. a. die Kataloge „Frauenrausch“ (1977) und „Female“ (2009) beweisen. Ganz entscheidend: Rainer malte die Vaginas in der Regel zu oder kritzelte über sie. Auf den Machwerken im Buch „Heiße Tage auf Teneriffa“ hingegen werden sie geradezu betont. Zudem stimmt bei den Fälschungen die Pinselführung nicht. Rainer würde auch nie einen weißen Stift für die Signatur verwenden – und diese nicht so sichtbar platzieren.
Klage abgewiesen
Löw-Radeschnig ging dennoch vor Gericht. Nun liegt das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vor; ihre Klage wurde abgewiesen. Zentraler Satz: „Ein vom Bundeskriminalamt in Auftrag gegebenes Handschriftengutachten ergab, dass die Urheberschaft des Erstbeklagten (Arnulf Rainer, Anm.) hinsichtlich der sich darauf befindlichen Signaturen unwahrscheinlich ist und ein Hinweis dafür besteht, dass sie Fälschungen darstellen.“
Rainer glaubt, dass er unter Druck gesetzt werden sollte, um die Echtheit zu akzeptieren. Wie es nun weitergeht? Der KURIER wird berichten.
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