Antonia Stabinger: Im heutigen Kabarett „viele starke Frauenfiguren“

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Antonia Stabinger wird am Montag beim Österreichischen Kabarettpreis mit dem Programmpreis ausgezeichnet.

Antonia Stabinger hatte eigentlich nie vor, ein Soloprogramm zu machen, nachdem sie bereits viele Jahre mit Ulrike Haidacher als Duo Flüsterzweieck auf der Bühne war. „Dann ist meine Figur der Clit/Doris entstanden, wo ich im Ganzkörperkostüm humorige Aufklärung machen kann. Und bevor ich überhaupt noch ein Stück hatte, war ich damit schon im Fernsehen. Das war ein bisschen von hinten aufgezäumt.“ Und heute erhält die Grazerin im Globe Wien für ihr erstes Solo „Angenehm“ (2024) beim Österreichischen Kabarettpreis den Programmpreis. Den Hauptpreis bekommt Berni Wagner, den Förderpreis Der Kuseng.

„Das ist sehr aufregend, schön und überraschend“, sagt Stabinger. Feminismus sei „ein Thema, das mich berührt als Frau, in einer Zeit, in der man nach wie vor über Gender Pay Gap oder Femizide diskutieren muss. Das muss man auch auf der Bühne thematisieren. Und daher habe ich versucht, dafür eine Form zu finden, die das konsumierbar macht.“

Das ausführliche Interview mit Antonia Stabinger finden Sie weiter unten.

In „Angenehm“ schlüpft Stabinger in mehrere Rollen, u.a. spielt sie einen Mann im Holzfällerhemd, der meint, das Kabarett werde von Frauen unterwandert. „Als wir vor 16 Jahren mit Flüsterzweieck begonnen haben, gab es wenige Frauen auf den Kabarettbühnen“, erzählt Stabinger, „Humor ist offenbar etwas männlich Sozialisiertes. Es hat sich glücklicherweise einiges verändert, es gibt jetzt viele starke Frauenfiguren mit neuen Stilen.“ In der Pandemie habe sich „alles neu durchmischt, weil junge Frauen über Tiktok und Instagram so erfolgreich waren, dass die dann unter den wenigen waren, die große Säle füllen konnten, zum Beispiel Toxische Pommes oder Ina Jovanovic. Ja, es gibt mehr Frauen und sie haben die Branche unterwandert. Aber bitte geht weiter auch ins Männer-Kabarett!“, sagt sie lachend.

Lachende Frau mit dunklen Haaren

Schiefgelacht

Ein männlicher Kollege wird heute die Laudatio auf sie halten: Andreas Vitásek. Sie sei einmal mit ihm bei einem Dreh in der Maske gesessen und habe ihm von Clit/Doris erzählt“, berichtet Stabinger. „Er hat sich schief gelacht. Dann ist er aufgestanden, hat seinen Oberkörper hängen lassen und einen alten Penis gespielt. Da habe ich mich wiederum schiefgelacht.“

Da Vitásek sie und ihre Figur in seinem Programm erwähne, habe sie sich für die Laudatio gedacht: „Das passt doch wunderbar: Ein großartiger Mensch, ein fantastischer Künstler, der mich noch dazu supportet.“

Seit zehn Jahren tritt sie zudem im Radio FM4 als „Die Zudeckerin“ auf, die satirisch alles schön redet. Vorbereitet werden die Beiträge in der Nacht davor. Die 41-Jährige sagt: „Ich benötige nur jedes Mal eine Schlagzeile, bei der man sich an den Kopf greift. Und das ist leider kein Problem. Es ist jedes Mal eine da.“ 


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RADIO-TIPP: Die Höhepunkte der Gala zur Verleihung der Österreichischen Kabarettpreise 2025 - mit Berni Wagner, Antonia Stabinger, Der Kuseng und dem Simpl-Ensemble. 29. November 2025, 19:05, Ö1

Das ausführliche Interview mit Antonia Stabinger:

KURIER: Jetzt haben Sie mit dem ersten Programm schon den Programmpreis beim Kabarettpreis gewonnen, Wie fühlt man sich da dabei? 

Antonia Stabinger: Überrumpelt tatsächlich. Ich hab nie vor gehabt, ein Solo zu machen und dann ist diese Figur entstanden, die Clit/Doris, mit der ich humorige Aufklärung machen kann. Und bevor ich überhaupt noch ein Stück hatte, war ich damit schon im Fernsehen - das war alles ein bisschen von hinten aufgezäumt. Und dann hat der Andreas Fuderer gemeint: Magst nicht was Längeres machen mit der Figur, und ich habe gesagt: Nein. Dieser Gedanke ist dann ein bisschen gesickert und ich habe gemerkt: Oh, da gibt es ja doch einige andere Ideen, ja gut, probieren wir es halt einmal. Und jetzt bekomme ich einen Preis dafür. Das ist sehr aufregend, schön und überraschend! 

Wie ist es zur Clit/Doris gekommen? 

Ich wollte eine Aufklärungskolumne für Socialmedia machen, und dort braucht man einen visuellen Knalleffekt. Abgesehen davon liebe ich Ganzkörperkostüme! Dann habe ich gemerkt: Wenn man in einem Vulva-Kostüm auf die Bühne geht, garantiert das einige Höhepunkte. Ganz nebenbei kann man noch nützliche Informationen mitliefern, die vielleicht auch viele Erwachsene nicht wissen. Und man kann backstage lustige Sachen sagen wie: Wo ist denn meine Vulva? Oder hey, du sitzt auf meiner Clitoris. Es bringt also sehr viele Vorteile mit sich. Und dann habe ich dieses Kostüm im Internet gefunden. 

Warum war es Ihnen ein Anliegen, Feminismus zum Thema zu machen? 

Es ist natürlich ein Thema, das mich berührt als Frau, die 2025 lebt und in einer Zeit, in der man nach wie vor über Gender Pay Gap oder Femizide diskutieren muss. Das muss man auch auf der Bühne thematisieren. Und daher habe ich versucht, dafür eine Form zu finden, die das konsumierbar macht.

Sie haben auch eine Nummer, wo sie als Mann auftreten, und satirisch sagen, dass Frauen die Kabarett-Branche unterwandern. Hat das auch einen wahren Hintergrund, hört man das manchmal tatsächlich?

Als ich mit meiner Kollegin Ulrike Haidacher im Duo Flüsterzweieck vor 16 Jahren angefangen habe, gab es wenige Frauen auf den Kabarett-Bühnen – Humor ist offenbar etwas männlich Sozialisiertes. Und wenn Frauen auf Kabarettbühnen waren, war es eher Musikkabarett und wenig Gesellschaftspolitisches. Es gab noch keine Sargnagel, es gab noch keine Malarina. Es hat sich also glücklicherweise einiges verändert, es gibt viele starke Frauenfiguren mit neuen Stilen. Während der Pandemie hat sich dann alles noch einmal komplett neu durchmischt, weil dann tatsächlich junge Frauen über TikTok und Instagram so erfolgreich waren, dass die dann eine der wenigen waren, die große Säle füllen konnten – wo es sonst nur gerade mal die allererfolgreichsten Kabarettisten in Österreich geschafft haben. Zum Beispiel Toxische Pommes oder Ina Jovanovic. Es hat der Branche einen angenehm frischen Wind gegeben. Also: Ja, es gibt mehr Frauen und sie haben die Kabarett-Branche bereits komplett unterwandert, aber bitte geht weiter auch ins Männer-Kabarett! (lacht)

Als Laudator haben Sie Andreas Vitásek. Wie kam es dazu? 

 Das darf man sich tatsächlich als Preisträgerin selber aussuchen. Ich bin vor vor einigen Jahren, als die Clit/Doris-Figur ganz neu war, zufällig mit ihm vor einem Filmdreh in der Maske gesessen. Ich hab ihm von meiner Figur erzählt und er hat sich schief gelacht. Dann ist er aufgestanden, hat seinen Oberkörper hängen gelassen und einen alten Penis gespielt. Da habe ich mich wiederum schiefgelacht. Wir jetzt habe ich die Ehre, dass er mich in seinem aktuellen Programm namentlich erwähnt und über meine Figur erzählt. Daher habe ich mir gedacht: Das passt doch wunderbar: Ein großartiger Mensch, ein fantastischer Künstler, der mich noch dazu supportet, den frage ich – und er hat zum Glück gleich Ja gesagt. 

Wie würden Sie Ihr Publikum beschreiben? Sind das mehr Frauen oder ist es genauso gemischt, wie bei jedem anderen Kabarett-Act?

Veranstalter und Veranstalterinnen sagen mir, dass es eigentlich recht durchmischt ist. Es ist tendenziell ein bisschen jünger als bei anderen Kollegen und ein bisschen weiblicher. Aber interessanterweise sitzen dann alte Herren in meiner Vorstellung, die einen großen Spaß haben. Am Anfang konnte ich noch nicht abschätzen, ob ich auch diese Zielgruppe unterhalten kann. Offensichtlich sind wir aber schon soweit.

Frau mit Vulvekostüm

Sie haben auch die Rolle als „Zudeckerin“ auf FM4, wie kamen sie auf diese Idee? 

Das ist jetzt tatsächlich heuer das zehnte Jahr, dass ich die Zudeckerin mache und die eigentlich als Die Aufdeckerin begonnen hat. Damals habe ich satirische Kurzsketche über Aufdeckungsjournalismus gemacht. Und dann hat mich, so wie viele Satiriker und Satirikerinnen, die Realität überholt. Mein Grundhandwerkszeug der Überhöhung und Überzeichnung ist einfach von der Realität missbraucht worden. Hätte man einen Donald Trump vor ein paar Jahren erfunden und in ein Drehbuch geschrieben – das wäre einem zurückgeschmissen worden, und zwar in hohem Bogen, weil zu unrealistisch. Das heißt, ich kann nichts mehr überhöhen. Also stand ich vor einem Problem. Damals war gerade die Angelobung von Sebastian Kurz, das hat gut gepasst, um mich zur Zudeckerin umgeloben zu lassen, die dann nur mehr alles schön redet. Ich mache das für die FM4 Morningshow und immer erst in der Nacht davor - das heißt es ist hochaktuell. Ich benötige nur jedes Mal eine Schlagzeile, bei der man sich an den Kopf greift. Und das ist leider kein Problem. Es ist jedes Mal eine da. 

Den Kabarettpreis zu bekommen, ist sicher sehr angenehm. Und das Programm heißt auch „Angenehm“. Ist irgendwann auch mal etwas sehr Unangenehmes passiert auf der Bühne oder hinter der Bühne?

Ich glaube, dass jede Person aus dieser Branche von furchtbaren Vorstellungen erzählen kann, durch die man aber zum Glück eine dicke Haut bekommt. Wenn die Leute im Publikum respektlos werden, stirbt man tausend Tode auf der Bühne, aber man lernt dann irgendwann, damit umzugehen. 

Gibt es einen konkreten Moment, der ihnen einfällt?

Einmal, ganz am Anfang, haben wir mit Flüsterzweieck bei der Langen Nacht des Kabaretts im tiefsten Oberösterreich gespielt. In einer Turnhalle vor 300 angeheiterten Pensionistinnen, die offensichtlich nicht unseren Humor geteilt haben. Auf einmal gab es einen großen Lacher und ich und meine Kollegin wussten intuitiv, das kann nicht wegen einer Pointe von uns gewesen sein. Der tatsächliche Grund war, dass eine Frau, während wir gespielt haben, über die Bühne nach Hause gegangen ist. Wir waren völlig baff, weil wir erst kurz Kabarett gemacht haben und das Publikum noch nicht gewöhnt waren. In der Stadt ist es für uns aber zum Glück gut gelaufen.

Sie sagen in Ihrem Programm, wo an einer Stelle weniger gelacht haben: Den Witz den mag ich, der bleibt drin ...

Kabarett ist eine der wenigen Branchen, wo niemand einem sagt, was man zu tun hat. Du darfst dir als Kabarettistin alle Wünsche erfüllen und ich hab mir auch wirklich alle Dinge, die ich gerne auf einer Bühne machen würde, erfüllt. Ganzkörperkostüme anhaben, ein Instrument spielen, mir Lieder ausdenken, über Kinder reden, über Hunde und Orgasmen. Der einzige Nachteil ist halt, wenn niemand kommt oder niemand lacht. Dann steht man dafür allein gerade, aber es gibt keine übergeordnete Instanz, die dir sagt, was du zu tun hast. Und das ist wirklich fantastisch an der Kleinkunst. Ich hab's mir in meinem Programm also selbst angenehm gemacht, aber fürs Publikum ist es das auch. Sie dürfen gerne mitlachen!

Noch zur Zudeckerin: Man hat ein bisschen das Gefühl, dass zurzeit die Wirtschaftskrise und die Teuerungsthematik andere Themen zudeckt, so wie Klimaschutz oder auch die Gender-Thematik obwohl da noch viel zu erkämpfen ist. Haben Sie diesen Eindruck auch und arbeiten Sie da auch dagegen an? 

Das Problem ist, dass man ein gewisses Maß an Kraft und Zeit und wirtschaftlicher Sorglosigkeit braucht, um sich Themen wie diesen zu widmen. Menschen sind seltsam, denn genau dann, wenn es dringend ein Aufbrechen alter Strukturen bräuchte, gehen sie gerne einen Schritt zurück und halten sich an alten Mustern fest, was sehr kontraproduktiv ist. Aber das passiert gerade und ich glaube da muss man zumindest die Plattformen oder Reichweiten, die man hat, nutzen um den Leuten in Erinnerung zu rufen, dass das die Themen nach wie vor wichtig sind. Auch wenn man gerade das Gefühl hat, alles zerfällt, müssen wir mutig sein und nicht konservativ. 

Haben Sie das Gefühl, dass dieser konservative Backlash, der oft konstatiert wird, nachhaltig sein könnte, oder ist das jetzt nur ein Ausschlag in diese Richtung? 

Wenn man sich die Geschichte anschaut, ist es ein Mäandern zwischen SchritteN nach vorn und Schritten zurück. Man hatte das subjektiv vielleicht auch das Gefühl, gerade wenn man jung ist, es geht immer nur nach vorne, aber man vergisst halt, dass es zwischendurch auch schon sehr progressive Strömungen gegeben hat, die dann aber wieder zunichte gemacht worden sind. Ich hoffe, dass auch diesmal nach dem Schritt zurück zwei nach vorne kommen. Dass insgesamt die Richtung nach vorne bleibt und die Rückwärtsgewandtheit nur zwischenzeitlich stattfindet. 

Bei FM4 dürften Sie eher ein wohlwollendes Publikum haben, aber gibt es da bei manchen Themen auch Beschwerden?

Einmal gab es eine Beschwerde, bei der man gemerkt hat, dass Tiere sehr stark emotionalisieren können. Da kann man sich stundenlang darüber Gedanken machen, ob ein Witz zum Thema Migration hoffentlich eh in die richtige Richtung geht und dass das alles respektvoll bleibt. Aber die Beschwerdeflut kommt dann, wenn man einen satirischen Beitrag darüber macht, dass man aus sich im Winterschlaf befindlichen gefrorenen Ameisen ein schönes Muster baut, was nur als witziges Gedankenspiel gemeint war. Da kamen dann wütende Mails, dass wir zum Devastieren der Ameisenhügel aufrufen würden und eine Grenze überschritten hätten.

Frau mit Hund

Gab es vielleicht Beschwerden aus Spanien, dass  dort auch nicht alle Hunde eingeschläfert werden?

Nein, bis dato nicht.  (Lacht) Es stimmt leider auch, dass man in Spanien mit Tieren teilweise recht anders umgeht als in Österreich. Die lachen sich auch kaputt, wenn man ihnen erzählt, dass es bei uns eine Tierrettung gibt. Da hat ein Hund auch mehr Nutztiercharakter. Hingegen wird bei uns im Gegenteil manchmal bei der Tierfürsorge eventuell leicht übertrieben. Bei manchen Leuten im Saal habe ich dann das Gefühl, sie haben vielleicht selbst schon mal einen teuren Tiertrainer geholt, weil sie an der Stelle ertappt lachen.

Ja und dann kommen ja auch gleich die Kinder bei ihm zum Handkuss. 

Im Kabarett verwurstet man ja am besten sein eigenes Leben - und ich habe aktuell ein kleines Kind und einen Hund. (Lacht)

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