Antike trifft Psychoanalyse: Hofmannsthals „Elektra“ in der Wiener Neustadt

Antike trifft Psychoanalyse: Hofmannsthals „Elektra“ in der Wiener Neustadt
Sarantos Georgios Zervoulakos akzentuiert in seiner Inszenierung von Hofmannsthals „Elektra“ im Zuge des Wortwiege-Festivals in den Kasematten von Wiener Neustadt die Freud’schen Komponenten

Von Marie-Sarah Drugowitsch

Das Wortwiege-Festival für Theaterformen unter der Leitung von Anna Luca Krassnigg, das in den imposanten Gewölben der Kasematten von Wiener Neustadt stattfindet, feierte am Mittwoch mit Hugo von Hofmannsthals „Elektra“ seinen diesjährigen Auftakt. Die Dramenfassung des Dichters der Wiener Moderne wird bedauerlicherweise nur selten gespielt, die Oper von Richard Strauss mag einigen geläufiger sein. 

Hofmannsthal geht vom antiken Stoff aus und integriert, durch Individualisierung und Psychologisierung der Charaktere, Tendenzen seiner Zeit, die auch in der Inszenierung des griechisch-deutschen Regisseurs betont werden. Was bleibt, sind übergreifende Themen: familiäre Konflikte, Muttermord, Vergeltung und Erinnerung.   

In diesem Stück dreht sich alles um die von Rache und Trauer geprägte Elektra (Petra Staduan), die den Mord an ihrem Vater Agamemnon durch ihre Mutter Klytämnestra (Nina C. Gabriel) und deren Liebhaber Aigisthos (Lukas Haas) nicht überwinden kann. Sie wartet sehnsüchtig mit ihrer Schwester Chrysothemis (Pippa Galli) auf die Rückkehr ihres sich im Exil befindenden Bruders Orest (Lukas Haas), um gemeinsam Rache zu nehmen, was schließlich in einem blutigen Finale gipfelt. Elektras Leben endet, als sie nach dem geglückten Racheakt in einem ekstatischen Tanz zusammenbricht.

Antike trifft Psychoanalyse: Hofmannsthals „Elektra“ in der Wiener Neustadt

Freud’sche Lesart 

Die Lesart der „Elektra“ von Regisseur Sarantos Georgios Zervoulakos ist eine psychoanalytische, die bereits im Originaltext - Hofmannsthal waren die Schriften Freuds durchaus bekannt - angelegt ist. In der Inszenierung verschwimmen Traum und Wirklichkeit. Immer wieder läutet ein iPhone-Wecker, zuerst denkt man: Wer hat denn da schon wieder vergessen, das Handy auszuschalten? Aber dann wird man in den Sog von Traum und „Realität“ hineingezogen und vermag nicht mehr zwischen diesen beiden Ebenen zu unterscheiden. 

Der Umgang mit unterdrückter Erotik erfährt eine Akzentuierung, es gibt Anspielungen zu homoerotischen Neigungen im Gespräch von Elektra mit Chrysothemis, aber auch mit ihrer Mutter, die beiden verbindet eine ambivalente Hass-Liebe. Eine Vergewaltigung durch Aigisthos, den Liebhaber der Mutter, wird zumindest visuell nahegelegt, was eine weitere Legitimation für Elektras Mordgelüste darstellt. Aigisthos tritt im sadomasochistischen Kostüm mit schwarzer Maske, lacklederner Schürze und Peitsche auf, was seine Rolle als Mörder von Agamemnon und brutalem Liebhaber nochmals unterstreicht. 

Das von Andreas Lungenschmid gestaltete Bühnenbild, das die Schauspieler in einem leeren Schwimmbecken (mit Duschköpfen, Gerüst und in die Decke ragende Metallstangen) gefangen hält, symbolisiert, dass es für sie kein Entkommen gibt, nimmt aber auch das Motiv des Wassers, welches sich durch das gesamte Stück zieht, subtil auf. So wird am Anfang im Chor von allen Darstellern mehrmals wiederholt, „dass wir mit Wasser und mit immer frischem Wasser das ewige Blut des Mordes von der Diele abspülen“.

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