Ankämpfen gegen den Abstieg: „Bitte treten Sie hinunter!“

Wellness-Oase im Wirtschaftstrakt der ehemaligen Semmelweisklinik: Julia Schranz, Birgit Stöger und Daniel Wagner
Der Verein Tempora überzeugt in der Semmelweisklinik mit dem Theaterparcours „BitSh!“; "Blackout" im Werk X Petersplatz enttäuscht

Kay Voges übernahm das Volkstheater, er brachte sein Ensemble mit – und die Schauspieler der Direktionszeit von Anna Badora mussten sehen, wo sie blieben. „Tatort“-Pathologe Günter Franzmeier etwa steht nach bitterer Durststrecke ab 20. April im Werk X Meidling auf der Bühne – in „Eskalation ordinär“ von Werner Schwab: Der Abstieg des Arbeitslosen Helmut Brennwert nimmt durch ein Missgeschick – just der Mann, bei dem er sich vorstellen soll, beschmiert seinen einzig guten Anzug – rasant Fahrt auf.

Franzmeiers Kollegin Birgit Stöger (die Nestroy-Preisträgerin war eine langjährige Badora-Weggefährtin) brilliert derzeit in der Semmelweisklinik: in einer Produktion des Vereins Tempora, der sich zum Ziel gesetzt hat, Leerstände zu bespielen.

Das Thema ist quasi das gleiche: In „BitSh!“ – das Akronym steht für „Bitte treten Sie hinunter!“ – geht es um Abstiegsängste in der Mittelschicht und die Sorge, trotz Selbstoptimierung nicht mithalten zu können. Wer sich einen Funken Selbstwertgefühl erhalten will, tritt auch schon einmal nach unten.

Claudia Tondl hat zwei bittere, dennoch amüsante Monologe geschrieben, Gregor Guth zwei ebensolche Szenen. Und Veronika Glatzner nutzt für ihre Inszenierung geschickt die Gegebenheiten im ehemaligen Wirtschaftstrakt der Klinik. Die Küche mit den monströsen Kesseln mutiert in der pointierten Ausstattung von Michael Strasser zur Wellness-Oase, in der man beim absurden Work-out wunderbar über andere lästern kann.

Der Weg führt zunächst nach oben, in den Dachboden: Michaela Bilgeri treibt energiegeladen an, will auf das Erreichen des Ziels anstoßen, doch der Sekt fehlt, und dann geht es, wie versprochen, nur mehr hinunter – in den Serverraum. Dort instruiert Daniel Wagner die neuen „Agents“ des Service Centers, er müllt sie mit hohlen Phrasen zu, und als Kreatur, die den Trotteljob schon länger macht, hat sich Birgit Stöger in den Gestängen verfangen. Im Keller schließlich gibt Julia Schranz als schrille Immobilienmaklerin einen Workshop, der natürlich keine Jobgarantie ist. Heftig. (Bis 16. April. Tipp: Warm anziehen!)

Umso größer die Enttäuschung im Werk X Petersplatz: „Blackout“ mit Sebastian Pass (auch ein Badora-Schauspieler) in der Regie von Peter Pertusini ist kein Stück, sondern ein epigonaler Versuch, zeitgenössisches Theater machen zu wollen - natürlich mit Live-Video. 80 Minuten lang erinnert sich die Gruppe Kochen.Mit.Wasser an die Schulzeit im Kollegium Kalksburg zurück - und einen tatsächlichen Mordfall. Erkenntnisgewinn gibt es keinen.  

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