Akzent Theater: Wer nicht tanzt und singt, ist bloß ein Dieb
Ein Programm, das „Arrivederci Roma“ heißt, darf mit einem Plattenspieler aus den 1960er-Jahren und Liedern wie „Mambo Italiano“ oder „Buona Sera“ beginnen und es darf ein bisschen verträumt mit den Hüften gewackelt werden. Derart harmlos nostalgisch bleibt dieser Abend aber nicht, denn die, um die es in „Arrivederci Roma“ geht, hat ihre Traumstadt Rom nie gesehen.
Die rundliche, immer schwarz gekleidete Rozsanéni, genannt Tante Rosa, steht im Mittelpunkt dieses Abends, den Mercedes Echerer anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Anerkennung von Roma und Sinti als Volksgruppe in Österreich geschaffen hat. Die Tante Rosa war genau genommen keine Tante, aber sie war immer irgendwie Teil der Familie. Wie sie dort hingekommen war, hat Echerer als Kind nicht gefragt, und heute kann keiner mehr Auskunft geben.
Rozsanéni kam und ging, blieb mal länger, mal kürzer. Sie war eine Romni aus Ungarn. Sprach unendlich viele Sprachen, schloss sich als junges Mädchen den Lovara, dem berühmten Pferdehändlervolk an, verliebte sich bald in einen jungen Zirkusclown aus dem Volk der Manouche. Er brachte sie erst zum Lachen – und dann brach er ihr das Herz. Ihr Leben lang träumte sie von ihrem Chavo, und wenn sie nicht von ihm träumte, dann träumte sie von Rom, wo sie nie war. Sie kam nicht weiter als bis nach Mariazell.
Lebensweisheiten
Echerer hat dieser Rozsanéni, ihrer Tante Rosa, die ihr so viele Lieder und Lebensweisheiten beibrachte, diesen Abend gewidmet. Sie erzählt, verknüpft historische Fakten mit persönlichen Erlebnissen. Berichtet von Stigmatisierung, Diskriminierung, Rassismus und Vertreibung. „Arrivederci Roma“ bekommt hier einen ganz anderen Sinn.
Echerer liest Gedichte, singt und tanzt. Ihr volles, erdiges Timbre beeindruckt, und wenn sie von Rozsanénis Kindheitserlebnissen erzählt, die von Ausgrenzung und Verfolgung geprägt waren, bewegt das: „Die Zigeuner sagen die Wahrheit, aber man glaubt ihnen nicht.“ Schmunzeln muss man hin und wieder aber auch: Die Rozsanéni konnte in 17 Sprachen nach dem Klo fragen!
Musikalisch begleitet wird Mercedes Echerer von Walther Steindlegger am Klavier und von Vuk Vasilic am Kontrabass. Ihre Interpretation von Leonard Cohens vom Holocaust inspirierten Lied „Dance me to the end of Love“ überzeugt. Ebenso wie Udo Jürgens’ kluges Chanson „Spiel Zigany“, das mit dem Klischees des „Zigeuners“ spielt – der zum Musizieren geradezu verdammt ist. Echerer singt, tanzt, erzählt und berührt. Sie macht das fabelhaft.