Die Kiss-Cam

Der Coldplay-Fall hat gezeigt: Die Kamera, die das Publikum im Stadion potenziell bloßstellt, ist mehr kein spaßiges Show-Werkzeug.
Michael Huber

Michael Huber

„Überwachen und strafen“ heißt ein berühmtes Werk des Philosophen Michel Foucault, der darin – sehr grob vereinfacht – analysiert, wie die Idee des Gefängnisses, in dem ein Wärter alle Insassen sieht, sich in die Gesellschaft eingeschrieben hat und sie zum Gehorsam konditioniert.

Das Freiheitsversprechen von Kinos, Theatern und Stadion-Events gründete teils darauf, dass dieses Verhältnis für kurze Zeit umgedreht wird: Man darf schauen, ohne gesehen zu werden. Doch das gehört nun der Vergangenheit an: Bei einem Coldplay-Konzert wurde ein Mann mit seiner Affäre ertappt und nicht nur Zehntausenden im Stadion, sondern Milliarden Menschen im Internet vorgeführt.

Die Technik, die das ermöglicht, nennt sich „Kiss-Cam“ und wird von den Massen, die den Großen Bruder lieben gelernt haben, meist noch als lustig empfunden. Ich empfinde Ekel vor einer neuen Dimension der Totalüberwachung.

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