Ein T-Shirt kann mehr sein als bloß ein Leiberl

Mit einem T-Shirt kann man nicht viel falsch machen. Oder doch?
Marco Weise

Marco Weise

Sommerzeit ist T-Shirt-Zeit. Dieses kleine Stück Baumwolle, dem einst Marlon Brando und James Dean zum Durchbruch verholfen haben, bietet unendlich viele Möglichkeiten: Man kann damit farbige Akzente setzen, oder puristisch in Weiß oder Schwarz durchs Leben gehen. Man kann damit Botschaften verbreiten, sich outen, sein intellektuelles Leistungsvermögen auf der Brust vor sich hertragen. Die Palette der geschmacklich diskussionswürdigen Leiberln ist endlos – hier zwei Beispiele: „Ich brauche keine Suchmaschine. Meine Frau weiß alles besser“ und „Schlank würde ich dich nur unnötig geil machen“. Wer das trägt, sollte sich helfen lassen.

Ein anderes und sehr ausführliches Kapitel sind Band-T-Shirts, die man auf Konzerten oder Festivals gegen viel Geld erstehen kann. Für ein in Bangladesch garantiert ohne Einsatz von Bio-Baumwolle hergestelltes Oberteil sind die Fans durchaus bereit, 55 Euro zu zahlen. Dafür dürfen sie dann ein Leiberl spazierentragen, auf dem vorne der Schriftzug der Band steht und hinten die Tour-Stationen aufgelistet sind: Mailand, Antwerpen, Nickelsdorf. Es ist ein Ausdruck der Nichtkreativität, der Einfallslosigkeit. Aber in solche T-Shirts sind meistens auch sehr viele Erinnerungen eingewebt. Manche sind wie der erste Sex, die erste Freundin, das erste Auto, die erste eigene Wohnung, der erste große Liebeskummer. Man vergisst sie nie. Sie erzählen Geschichten, legendäre und weniger schöne – weißt du noch, damals bei Tocotronic? T-Shirts können also mehr sein als bloß ein Leiberl. Und deshalb wirft man sie auch nicht gleich beim ersten Loch weg – sondern legt sie zurück in den Kasten, zieht sie hin und wieder einmal an, obwohl einem das Teil längst zu klein ist, die Wampe unten raushängt.

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