Von doppelbödiger Madrider Moral und grünen Wiener Violetten

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Während Reals Elf für Umweltschutz wirbt, bastelt Präsident Florentino Pérez an einer weltumspannenden Klubliga.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Jetzt machen sich auch Real Madrids Starkicker für Greta Thunberg stark. Unter dem Eindruck des Madrider Klima-Gipfels liefen Sergio Ramos und Co., auf ihr traditionell weißes Outfit verzichtend, zum Spiel gegen Espanyol (2:0) im Madrider Bernabéu-Stadion ganz in Grün ein. Jedoch:

Die Nummer 1

... der (anhand der Ergebnisse der letzten fünf Jahre erstellten) Europarangliste macht sich zum Spielball doppelbödiger Moral. Denn während Reals Elf für Umweltschutz wirbt, bastelt Real-Madrid Präsident Florentino Pérez mit dem Finanzunternehmen CVS Capital an einer weltumspannenden Klubliga. Geht’s nach dem Willen des Milliardärs, wird die Kerosin-Liga 20 Klubs umfassen, die jahrein, jahraus (samt Fans) von Europa bis Südamerika, von China bis Mexiko, von Australien bis USA herumdüsen.

Fluglinien, vorwiegend jene aus dem arabischen Raum, die europäische Topklubs sponsern, wird’s freuen. Neutrale Beobachter indes sehen sich in ihrer Skepsis bestätigt: Wo’s ums Geld geht, wird die Vernunft mit Stoppelschuhen getreten.

Nummer 26 gegen 8

... alias Salzburg vs. Liverpool wird am Dienstag nicht nur manch Liverpooler Schlachtenbummler, sondern auch der eine oder andere Medienvertreter statt im seit Wochen ausverkauften Stadion in Salzburg nur am Bildschirm sehen. Hundert Reporter stehen bei Salzburgs Pressechef Christian Kircher auf der Warteliste. Darunter auch solche aus Brasilien, Japan und Kasachstan.

Und welche von der Londoner Sun, die besonders intensiv von Liverpools Auswärtsspielen berichten, zumal das Boulevardblatt an der Anfield Road seit Jahren Hausverbot hat. Auch Trainer Jürgen Klopp, der vermeintliche Sonnyboy, sah von einer Begnadigung der Sun ab. Wie überhaupt Klopp alles, was Öffentlichkeitsarbeit betrifft, streng unter Kontrolle hat. Für sämtliche Mitglieder seines Betreuerstabes (dem auch der Wiener, speziell für Keeper zuständige Sportwissenschafter und Ex-Bundesliga-Tormann Hans Leitert angehört) gilt: Mikrofone meiden. Trainiert wird (wie in England allgemein) nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Dass Reporter nach Spielschluss in die Kabine dürfen, ist längst auch in Österreich bis hinab in dritte Liga untersagt, in den USA aber selbst bei Topklubs der NHL und NBA üblich. Und ein Mitgrund, weshalb der freundliche amerikanische Bullen-Trainer Jesse Marsh sogar anlässlich des Hinspiels in Liverpool aus dem „Allerheiligsten“ ausführlichst (zu sehen am Montagabend 50 Minuten lang bei Servus TV) filmen ließ.

Nummer 66 gegen 122

... lautet aus internationaler Sicht am zweiten Adventsonntag die Paarung im 330. Wiener Derby. Eine wenig populäre Beschreibung, die Rapidlern und Austrianern wurscht sein wird. In Wahrheit geht’s nebst der Ehr’ darum, die Basis für eine bessere zweite Saisonhälfte zu legen, um sich nach längerer Durststrecke wieder für einen euroträchtigen europäischen Bewerb zu qualifizieren. Was im Falle der Austria eher einem kleinen Wunder gleichkäme.

Unfreiwillig befinden sich die Violetten auf grüner (nicht grün-weißer) Welle. Während sich Salzburg aufs Europa-League- (oder gar Champions-League)-Frühjahr in Katar vorbereiten wird und Rapid in den (näheren) Süden tendiert, müssen die finanzmaroden Austrianer im Lande bleiben. Und auf mildes Klima hoffen.

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