Vea Kaiser.

Vea Kaisers "Fabelhafte Welt": Vom Leben ohne Freizeitvergnügen

Warum es nicht wirklich entspannend ist, wenn die Entspannung passiert, die man vier Jahre lang herbeisehnte

Die entspannteste Zeit im Buchkreislauf ist, wenn der Roman gedruckt wurde: Man kann nicht mehr daran arbeiten, muss sich aber noch nicht mit der Präsentation abmühen. Auf diesen Moment freute ich mich so sehr! Vier Jahre lang hatte ich sämtliche Freizeitvergnügungen vernachlässigt, nicht ein einziges Mal ferngeschaut: Ich schrieb, wenn die Kinder schliefen oder unterwegs waren.

Endlich wurden die Druckerpressen angeworfen, endlich hatte ich abgegeben – endlich wurde der Kindergarten saniert und für einen Monat geschlossen. Meine herbeigesehnte Freizeit wurde also auf Spielplätzen verbracht, was zwar nicht das war, wovon ich geträumt hatte, aber auch schön. Abends musste ich Dinge aufarbeiten, die ich zu lang hatte liegen lassen (u. a. Ihre Leserbriefe! 300 von 500 habe ich schon beantwortet; falls Sie noch nicht von mir gehört haben, dann werden Sie es noch vor Weihnachten tun!).

Doch ich wollte nicht aufgeben und zumindest um 22 Uhr eine Folge genießen. Ich baute den Beamer auf, zog eine bequeme Hose an und musste feststellen, dass der Beamer nicht mit der App des Streaminganbieters kompatibel war. Abendelang versuchte ich, das Problem zu lösen, ehe ich den Fernseher anwarf – und mich verzerrte Bilder wie abbrechende Wiedergabe lehrten: Fließendes Internet ist kein Menschenrecht, sondern eine Gnade der Götter.

Schlussendlich beschloss ich, auf dem verhassten Computer zu schauen. Ich klickte auf die dritte Staffel einer Serie, auf die ich mich so lange gefreut hatte, sah die erste Folge und war entsetzt: Sie war langweilig und schlecht geschrieben. Das hatte ich vermisst? fragte ich mich verzweifelt, nur um dann freudig festzustellen: wie entspannend, auch ohne Entspannung nichts verpasst zu haben.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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