Vea Kaisers Kolumne: Einparfümierte Buben
Über die Bedeutung des ersten Eindrucks und einer wirklich gut geschnittenen Frisur.
Fast vier Jahre lang verweigerte mein Sohn den Haarschnitt. Nur ich und die Friseuse aus dem Dorf meiner Eltern durften gelegentlich – bezahlt mit YouTube-Minuten – dieses wilde, halblockige Haar kürzen. Dann eröffnete entlang unseres Wegs ein Männerfriseur. Die Kinder starrten hinein.
Der Barbier war ein junger, dunkeläugiger Mann, dessen opulentes Haupthaar und kohlschwarzer Vollbart perfekt fassoniert waren. Seinen im Fitnessstudio gestählten Oberkörper umspannte ein enger schwarzer Rollkragenpulli, aufgerollte Ärmel zeigten Unterarme, die mit Gewehren, Totenköpfen und anderen nicht kindgerechten Motiven verziert waren. Aus dem Geschäft drang grimmiger Techno, drinnen herrschten scharfe Kontraste zwischen den anthrazitgrauen Wänden, Fliesen und greller Neonbeleuchtung.
"Mama, der soll mir die Haare schneiden!", verkündete mein Sohn. Auf den ersten Blick war mir der Salon unheimlich, gleichzeitig wollte ich dieses Jahrzehntereignis – das Kind lässt sich freiwillig die Haare schneiden – nicht torpedieren. Also willigte ich ein. Drinnen bestand mein Sohn darauf, dass zuerst sein zweijähriger Bruder drankäme. Der sagte "Ok" und kletterte auf den Stuhl. Danach ließ sich der Große frisieren. Stolz befühlte er seinen kurzgeschorenen Hinterkopf: "Schau, Mama, wie weich ich bin!", und verkündete: "Der Barbier ist jetzt unser Freund!"
Zum Abschied ließen sich beide noch die Stirnfransen gelen und mit Rasierwasser einsprühen. Als ich mit zwei nach Damaszener-Männerparfüm riechenden Kleinkindern nach Hause marschierte, dachte ich: Optik ist doch nicht wichtig. Und während sie sich stolz im Spiegel musterten, dachte ich: Doch, ist sie. Wichtig ist nur, wann man sie wichtig sein lässt.
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