Der zweite Blick in den Single-Sight-Citys

Vorteil der Single-Sight-Citys: Die Liste dessen, was man dort unbedingt abhaken muss, besteht nur aus einer Zeile. So lässt man sich dann auch wirklich auf das ein, was man zuerst nicht sieht.
Axel Halbhuber

Axel Halbhuber

Erzählt mir jüngst jemand vom deutschen Bremen und ich konnte seinen Ausführungen gar nicht richtig folgen. Denn gleich nach meinem ersten Assoziationsimpuls Stadtmusikanten versank ich immer mehr im Gedanken, ob irgendwer etwas anderes als Stadtmusikanten denkt, wenn ein anderer Bremen sagt. Ausnahme natürlich Fußballer Andreas Herzog, der mit Bremen Meister und Pokalsieger wurde, wenn dem einer Bremen sagt, denkt er Werder.

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Aber neunundneunzigkommaneununendlich Prozent assoziieren mit der deutschen Hansestadt am Fluss Weser nur das eine und wüssten nicht, was sie nach dem Rundum-Fotoshooting der Stadtmusikanten-Bronzestatue dort machen könnten. Als ich diesen Gedanken meinem Gesprächspartner (nach seinen Ausführungen, die ich aber eben nicht gehört hatte) mitteilte, traf mich ein nordischer Sturm der Entrüstung. Was mir einfiele, Bremen ist unglaublich schön, da gibt es so viel zu sehen ...

Natürlich hatte mein Gegenüber damit recht. Fast jeder Ort der Welt ist es wert, entdeckt zu werden (Ausnahme Kandyagash in Westkasachstan, da sage ich allen mit ernster Miene: Da musst du wirklich nicht hin. Es liegt aber eh selten am Weg.) Manche muss man sich auf die harte Tour erobern, einige auf die sanfte, manche sind eher was für die rauen Depressionszyklen, andere passen zu den hellen Glücksphasen des Lebens.

„Single-Sight-Citys“

Nun misstraue ich zwar jenen Orten, die für Märchen bekannt sind (Hameln für den Rattenfänger, Worms für die Nibelungen, Collodi für Pinocchio, Troja für das Pferd, Klagenfurt für den Wurm, die Schweiz für Heidi, Entenhausen für Daniel Düsentrieb ...), aber es gibt ja auch Städte, deren EINE Sache nicht so ausgedacht ist. Mein ganz persönliches Ranking dieser „Single-Sight-Citys“:

1. Sydney – Opernhaus

2. Graz – Uhrturm

3. Pisa – schiefer Turm

4. Thessaloniki – gerader (Weißer) Turm

5. Madrid – Museo del Prado

Jaja, alle diese Städte haben viel mehr zu bieten, deswegen erwähne ich sie ja. Aber, und das ist der Vorteil der Single-Sight-Citys: Die Liste dessen, was man dort unbedingt abhaken muss, besteht nur aus einer Zeile. So lässt man sich dann auch wirklich auf das ein, was man zuerst nicht sieht. Weil, wie der britische Schriftsteller G. K. Chesterton gesagt hat: „The traveler sees what he sees. The tourist sees what he has come to see.“

Es lohnt sich insgesamt, diese Fähigkeit – nämlich das Wesentliche zu sehen – immer wieder zu schulen. Hat ja auch schon der Kleine Prinz gesagt. Für den „Parc du Petit Prince“ ist übrigens die Stadt Ungersheim bekannt.

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