"Tagebuch": Wo die Bäum’ in den Himmel wachsen

Auf dem Spielfeld werden Bäume gepflanzt. Sportler glaubten an eine Pflanzerei, als sie vor Wochen erstmals davon hörten.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Erstmals laufen die Rapidler im schmuck vergrößerten Austria-Stadion ein. Erstmals gleicht das Derby auch einem Abstiegskampf.

Bleibt zu hoffen, dass Rapids erstaunlicher Europa-League-Aufstieg Ultras milde stimmt; dass grüne Hardcore-Fans nicht rotsehen und die violette Arena zu einer Baustelle machen; und dass sich auch die Gastgeber dem Advent angepasst zu benehmen wissen. Andernfalls könnt’s passieren, dass das erste Derby in der neuen Favoritner Arena gleich für längere Zeit das letzte war. Und dass Austria und Rapid ihren Schlager wieder dort austragen müssen, wo keiner spielen will. Und wo das Nationalteam 2019 nicht oft spielen darf. Im Happel-Stadion.

Monatelang wird das Prater-Oval für Pop-Konzerte reserviert sein, die volle Ränge garantieren. So wie der Auftakt in der EM-Qualifikation. Immerhin passt das Spiel gegen den FC Lewandowski – weil die Polen schon am 21. März in Wien gastieren – noch in den Terminplan der mäßig fußballbegeisterten Stadion-Betriebsgesellschaft.

Das nächste Heimspiel (gegen Slowenien) könnte im Juni in Klagenfurt ausgetragen werden, ehe Popgrößen à la Eros Ramazzotti die schöne Wörthersee-Arena füllen. Danach spielt der Fußball dort nicht einmal die zweite Geige.

Auf dem Spielfeld werden Bäume gepflanzt. Sportler glaubten an eine Pflanzerei, als sie vor Wochen erstmals davon hörten. Doch es handelt sich in Klagenfurt um keinen verfrühten Faschingsscherz, sondern um ein – dem Vernehmen nach einzigartig geniales – Kunstprojekt. Das zudem ein Medien-Milliardär großzügig unterstützt, weshalb in dessen Produkten kaum Kritisches zu lesen sein wird. Turbulente Vereinsübernahmen in der Haider-Zeit, Streitereien, Konkurse, dubiose Rettungsversuche und verdrossene Kickerfreunde in der Eishockey-Stadt – ein bissel ist die Fußballszene schon selbst schuld, dass zu Partien der Klagenfurter Austria kaum 1000 Leut’ kommen und kaum wer weiß, wo der Bundesliga-II-Klub im Herbst spielen soll.

Wie man in den Wald reinruft, schallt es wieder heraus. Nur hätte niemand gedacht, dass der im Stadion wachsen wird.wolfgang.winheim

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