328. Wiener Derby: Doppelte Premiere mit Gegensätzen

Didi Kühbauer (li.) und Thomas Letsch stehen am Sonntag im Fokus.
Trainer im Fokus: Austrias Letsch spielt sein erstes Derby im neuen Stadion, Kühbauer sein erstes Derby als Rapid-Trainer.

Kühbauer ist der Pragmatiker mit Herz

„Im Derby ist der Puls höher“, sagt Didi Kühbauer. Alles andere wäre bei der Trainer-Premiere des Erzrapidlers im Duell mit der Austria auch nicht glaubwürdig. Wer auf markige Sprüche oder Erinnerungen an das legendäre Kopf-an-Kopf-Bild mit Andreas Ogris wartet, wird allerdings enttäuscht. Didi Kühbauer präsentiert sich vor dem Schlüsselspiel so wie in seinen ersten 100 Tagen im Amt: ruhig, fokussiert und äußerst pragmatisch.

Bereits in St. Pölten waren SKN-Mitarbeiter überrascht, dass Kühbauer in den für die Vereinszukunft entscheidenden Tagen der Relegation gegen Wiener Neustadt immer die Ruhe bewahrt hat. Als Rapid zuerst in Hartberg (0:3) und dann in Villarreal (0:5) unterging, erwarteten viele in Erinnerung an den Spieler Kühbauer einen Vulkanausbruch.

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Doch der 47-Jährige suchte lieber noch in Spanien die halbe Nacht lang mit Spielern, Präsidium und Sportdirektor Bickel Wege aus der Krise. Mit Präsident Krammer wurde vereinbart, dass dieser eine öffentliche Brandrede hält, während der Trainer nur intern kommuniziert – und die verunsicherten Spieler wieder aufbaut.

„Gogo hat mehr Druck auf die Spieler aufgebaut“, erinnert sich Bickel an einen Unterschied zu Vorgänger Djuricin. Das heißt nicht, dass der Burgenländer mit dem Zustand der Mannschaft zufrieden wäre. Aber Kühbauer verabscheut billigen Aktionismus, und ein Umbau benötigt Zeit – wie er sie in der Jänner-Vorbereitung erhält.

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Teamplayer

Didi wirkt gefestigt und ruht in sich selbst. Über Fußball weiß er alles“, sagt einer aus dem inneren Kreis bei Rapid. Er hört nicht nur auf seinen loyalen Assistenten Nastl, sondern ist für jeden hilfreichen Hinweis dankbar. Deswegen wollte er auch Video-Fachmann Oesen als Verstärkung von Red Bull zurückholen. Überrascht wurde der Trainerstab, als in Diskussionen über frühere Rapid-Spiele Kühbauer plötzlich Details erwähnt, als wäre er selbst dabei gewesen.

Der Zugang zu den Spielern ist direkt in der Ansprache, aber herzlich. Auf dem Rasen regiert Pragmatismus. Rapid wird zu oft ausgekontert? Okay, dann rückt Bolingoli eine Position nach vorne, hinten machen Auer und Müldür dicht. Dass es spielerisch Schwächen gibt, räumt Kühbauer bereits vor dem Derby ein: „Mit unglaublichen Ballstafetten ist nicht zu rechnen.“

Wichtiger war dem Trainer vorerst, das größte Minus der Saison – den körperlichen Zustand – auszugleichen. Sein Credo: immer alles rausholen, egal, wie früh der Tank leer wird. Dann kommt eben ein Ersatz.

Die jüngsten drei Siege wurden alle durch Joker fixiert, jeweils in der Rapid-Viertelstunde.

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In der Ruhe liegt die Kraft von Letsch

Er ist ein angenehmer Zeitgenosse. Kein Mann der Extreme, kein Lautsprecher, der sich extra Gehör verschaffen muss, damit seine Persönlichkeit an Gewicht gewinnt. Thomas Letsch wirkt stets ausgeglichen und beherrscht. Der Deutsche ist ein Fußball-Lehrer, mit dem man beispielsweise im Café Engländer in der Wollzeile über Themen plaudern kann, die die Seitenlinien des Feldes verlassen. Auch ein anderes Terrain scheint ihm nicht fremd. Hellwach wirken seine Augen, weil er sich dabei sehr für sein Gegenüber interessiert.

Genüsslich lehnt er sich zurück und hält mit einem zufriedenen Lächeln fest: „Wien ist eine wunderschöne Stadt. Schöner als ich gedacht hatte.“ Und überhaupt diese Kaffeehauskultur. Einfach zum Genießen. Der 50-Jährige aus Esslingen fühlt sich pudelwohl in der Hauptstadt, wo er im dritten Bezirk in der Nähe des Rochusmarktes wohnt. Er erzählt davon, dass er in der spärlichen Freizeit gerne Tennis spielt oder unweit von seinem Zuhause im Prater joggen geht. Viel zu selten kommt er aber dazu.

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Philosophie

Letsch eilt der Ruf voraus, die Salzburger Offensiv-Philosophie inhaliert zu haben. Bei der Austria muss er bezüglich des Systems einen Kompromiss eingehen. Seine Mannschaft und er sind auf der Suche, wie der Herbst mit all dem Auf und Ab in den Leistungen unterstreicht. Schon einmal hallten „Letsch raus“-Rufe der Fans durch die Generali-Arena, ein erstes und ein laut formuliertes Zeichen des Unmuts.

Die Vereinsführung steht hinter ihm – noch, muss man fast anfügen, denn wie lange so ein Treuebekenntnis Gültigkeit hat, lässt sich nie so definitiv sagen. Bei der Derby-Pressekonferenz versicherte Sportdirektor Ralf Muhr, dass man keinen Plan B nach einer Niederlage habe. „Wir haben einen Plan A, an den wir uns halten.“ Und der heißt Thomas Letsch, der Diskussionen um seine Person (bisher) mit einer gewissen Lockerheit begegnet.

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Teamplayer

Letsch ist ein Teamplayer, der seiner Mannschaft vertraut, allen voran seinen Assistenten Roman Stary und Robert Ibertsberger. Gemeinsam analysieren sie Spiele detailliert, tragen ihre Ergebnisse den Spielern vor und versuchen, die Erkenntnisse in der täglichen Arbeit umzusetzen.

Letsch ist im Umgang mit seinen Schützlingen nicht der harte Hund, kein Trainer der alten Schule mit fragwürdigen Erziehungsmaßnahmen wie Medizinbällen oder Stiegenläufen, bis die vorangegangene Mahlzeit die Körper der Spieler wieder verlässt. Letsch ist kein Peitschenknaller. „Peitsche ist nicht gleich Peitsche“, sagt er kryptisch mit einem Lächeln und meint, man könne auch ohne medienwirksame Maßnahmen deutlich werden. Vielleicht würden aber seine Spieler den einen oder anderen Wutausbruch besser verstehen. Doch in der Ruhe liegt eben die Kraft von Letsch.

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