Lieber Herr P., welche Immissionen man vom Nachbarn zu erdulden hat und ab wann es sich um einen unzulässigen Eingriff des Nachbarn handelt, regelt § 364 ABGB. Der Grundgedanke ist, dass unter Nachbarn gegenseitige Rücksichtnahme das oberste Gebot ist. Das Gesetz sieht daher ausdrücklich vor, dass Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen haben.
Bäume und andere Pflanzen an oder in der Nähe von Grundstücksgrenzen führen immer wieder zu Streitigkeiten. So stellen Äste, die über den Zaun ragen, Wurzeln, die sich auf das Nachbargrundstück verirren oder Laub und Nadeln, die der Wind in den Garten des Nachbarn weht, ständige Streitthemen dar. Einen Unterlassungsanspruch hat man nur dann, wenn die vom Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird.
Was ortsüblich ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Je höher der Baumbestand auf den Grundstücken in der näheren Umgebung, desto größere Beeinträchtigungen durch große Bäume gelten als ortsüblich. Gibt es in Ihrer Umgebung daher ohnehin viele große Bäume, werden Sie nicht verlangen können, dass der Nachbar den Baum fällt.
Das Entfernen von in den eigenen Grund eindringender Wurzeln des Baumes des Nachbarn oder auch das Abschneiden von in den Luftraum des eigenen Gartens hängenden Ästen ist zulässig. Die notwendigen Kosten für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste hat der beeinträchtige Grundeigentümer aber selbst zu tragen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn durch die Äste oder Wurzeln ein Schaden entstanden ist oder offenbar zu entstehen droht.
Dass Kletterpflanzen unter Zuhilfenahme Ihres Zauns wachsen, müssen Sie aber nicht dulden. Die Rechtsprechung geht hier von einer „unmittelbaren Zuleitung“ aus, die untersagt werden kann.
Für die Auswirkungen fremder Pflanzen, also etwa hinsichtlich herabfallenden Laubs, gibt es keine besonderen Regeln, vielmehr gelten hier die allgemeinen Vorschriften. So hat man nur dann einen Unterlassungsanspruch, wenn die Beeinträchtigung durch das herabfallende Laub das ortsübliche Ausmaß übersteigt und dadurch auch die Benutzung des eigenen Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird.
Das ist nur in den seltensten Konstellationen anzunehmen. Dass ein Hauseigentümer wegen des herabfallenden Laubes einmal jährlich die Dachrinne reinigen muss oder das fremde Laub des Nachbarn im Herbst mehrfach zusammen zu rechen ist, stellt keine wesentliche Beeinträchtigung dar.
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