Raab geht essen: Kraft

Jetzt hat sie aufgesperrt, eine der eindrucksvollsten Neueröffnungen 2022. Hier stimmt alles. Auch der Zeitpunkt. Denn wer in diesem Advent allein schon beim Gedanken an Punsch panisch, müde, saftlos wird und dringend echte Energie braucht.
Thomas Raab

Thomas Raab

… lässt sich von nun an inmitten der Bundeshauptstadt tanken. Kein Wienerherz muss sich zu diesem Zwecke mehr extra irgendein Häuschen im Waldviertel zulegen oder mit Bergschuhen neben ein mit „Kraftort“ beschriftetes Taferl stellen. Ein Besuch bei Mama reicht völlig.

Jetzt ist Mama natürlich nicht gleich Mama, die Palette endlos: von Konstellationen, da raubt allein schon der Gedanke, doch mal wieder bei Mama vorbeischauen zu sollen, die letzten Energiereserven; bis zu längst erwachsen gewordene Vögel, die aus Mamas Nest einfach nicht rauswollen.

Verdammt mutig also, ein Restaurant genau so zu benennen, MAMA, Erwartungshaltungen zu schüren, im besten Fall nach Geborgenheit, Sättigung, Liebe. Wobei: Wenn’s schon zweimal so hervorragend geklappt hat? VIVA LA MAMMA dort, MAMA & DER BULLE da. Warum sich keinen Kraftort daneben trauen, bauen, brauen? Ergo: MAMA KRAFT. Klingt episch.

Die Treppe hinab in dieses Kellerlokal zu steigen, vorbei an zwei aufpolierten, riesigen Kupferkesseln, beeindruckt und beruhigt aber zugleich, lässt den Schmäh erkennen. Kraft ist Craft. Bier, das nicht hoch industrialisiert gebraut als Massenware in Supermarktregalen landet, sondern handgemacht vor Ort im Glasl. In diesem Fall eines mit zartem Gestell, Ballerina mit Tutu, oder ein dermaßen elegantes, graues Krügerl mit rotem Mama-Herz drauf – der Gedanke kommt, es von der langen, als Bar gebauten Schank in die Tasche wandern zu lassen. Rundum Gemütlich- und Lässigkeit. Die durchgehende Sitzbank, die Eichenholz-Tische, der dunkelgraue Schieferboden. Die roten Rohre, die Pop-Art-Wandgemälde, das Ziegel-Gewölbe. Mittendrin Mamas Kraftquelle, eine Labstelle, um eigenhändig Bier zu zapfen. „Nur keine Leitung verstecken. Unsere Gäste sollen von der Brauerei umgeben sein und sich zugleich geborgen fühlen. Zu Hause!“ Funktioniert perfekt. Das geht eben gewaltig nach vorne los, ein visionäres Gastronomen-Ehepaar wie Gabriele und Robert Huth während eines langen Corona-Lockdowns zu Hause einzusperren, „wo du an allem zweifelst, keine Kultur mehr, keine Touristen, keine Menschen. Was tun? Wir brauen unser Bier einfach selbst. Für die gesamte Gasse!“ Dieses Grätzel.

Diese Stadt.

Jetzt hat sie aufgesperrt, eine der eindrucksvollsten Neueröffnungen 2022. Hier stimmt alles. Auch der Zeitpunkt. Denn wer in diesem Advent allein schon beim Gedanken an Punsch panisch, müde, saftlos wird und dringend echte Energie braucht, voilà: Mama Kraft (das Helle), die Herzdame (Rotes Lagerbier), das Wit Bul (Weizen Bier), wer mag, sogar im prächtigen Zwei-Liter-Kraft-Growler (ein Biertransportgefäß mit Henkel) – auch für daheim. Prost.

Beim Reden sollen ja bekanntlich die Leut’ zusammenkommen. Um Orte wie diese dafür zu schaffen, reicht Reden allerdings nicht aus.

Menschen braucht es, immer, die für ihre Sache brennen und rennen, unaufhörlich. Die wirklich gerne eine sind, mit Herz, nicht nur auf und in ihrem Krügerl, sondern vor allem dahinter: Mama.

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