
Polly Adlers Kolumne: Wie Generationen an Tischgesprächen anecken
Ein demoliertes Auto, ein Streit über Sprache und ein politisch wachsames Kind: wie Generationen an Tischgesprächen anecken.
Pfoah, da hat dich einer ordentlich erwischt“, sagt das Kind, als es mein schwer lädiertes Auto sieht. „Ja, leider, Schatzi, da wollte mir ein türkischer Bus zeigen, wer der Stärkere ist.“
Abmahnungsanlauf: „Musst du das jetzt so betonen, Mutter, dass das ein türkischer Bus war, das ist doch voll rassistisch.“– „Es war nun einmal kein dänischer Bus. Der Typ drängte mich so von der Spur, dass er mir den Spiegel abrasierte und wollte einfach weiterfahren. Dann donnerte er mir aus dem Stand in die Seite.
Klassisches Macho-Gehabe, Marke: „ Ich habe hier den längsten ...“ – „Du bist schon wie die Fredi-Tante. “ Das ist eine 10-von-10-Stufe-Beleidigung, denn die Fredi-Tante ist eine Bevölkerungsaustausch-Paranoikerin der übelsten Sorte. Sie hat schon jede Menge Vorräte gebunkert, weil sie als Ex-Geschichtsprofessorin fürchtet, dass die nächste Türken-Belagerung drohe.
Jedenfalls rasselte die Stimmung in die Gefrierzone. Ich bürstete mich auf Zorn-Kontrollmanagement, funktionierte aber leider nicht: „Entschuldige bitte, dass ich die Buslenker-Person vorher auf ihr biologisches Geschlecht festzementiert habe.“ – „Du bist so billig, Mutter!“ – „Jetzt sag ich dir einmal was: Ich bin schon immer bei jedem Tisch, wo nur die leiseste Anmerkung in Richtung Homophobie oder Antisemitismus fiel, aufgesprungen ...“ – „Apropos“, sagte das Kind in süßer Vorfreude eines Eklats, „was sagst du zu der Situation in Gaza?“
Jetzt ist Flucht in die Unverfänglichkeitszone angesagt, diese Debatte eröffne ich nicht: „Soll ich dir einen Massage-Termin buchen?“ Das Kind nickte gnädig: „Warum nicht ...“ Und ich dachte mir: Wie langweilig wäre es doch einen Fortpflanz zu haben, der einen nicht ständig unter Diskurs-Strom stellt.
„Knietief“: am 28. 9. im Rabenhof, 11 Uhr.
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