
Polly Adlers Kolumne: Artenbedrohung der Lustigen
Über Lücken, entsetzliche Lücken in so einem Leben
Als ich die grandiose dreiteilige Claus-Peymann-Parte in der Post fand, die er wahrscheinlich in gewohnt herrischer Akribie noch zu Lebzeiten entworfen hatte, dachte ich mir in meinem Ohrensessel, dass die wirklich lustigen Menschen immer weniger werden.
Ich hatte den Mann nur flüchtig genossen, er trieb mich bei zwei Lesungen über den Rand der nervlichen Toleranz, war aber dabei unfassbar unterhaltsam. Allein die Anekdoten, die über ihn kursierten, waren abendfüllend. Wenn ich an die Urzeiten im Oswald & Kalb denke, was sich da für ein grandioses, natürlich narzisstisch verseuchtes Personal Mitte der 1980er um die Budel geschart hat. Jeder Abend ein Fest – und niemand klagte über Reflux, Morgen-Meetings oder Laktoseintoleranz. Es wurde natürlich haltlos gesoffen, der Schlaf vor Mitternacht war für Luschen, also gesundes Leben war definitiv keine Priorität. Es ging immer nur um die nächste Pointe, man war im Dauertraining.
Ohne diese Schmähschule wäre ich wahrscheinlich ein wesentlich beigerer Mensch geworden. Die letzten Jahre wurde die Liste meiner Originellsten auf das Schmerzhafteste dezimiert. Meine Freundin Marga, eine Frau, deren Texte ich mir in meinen Anfängen unter den Polster gelegt hatte, weil sie so genial waren, war als Erste abgereist. Davor hatten wir noch mit Paris geschmust und hatten dort Tierhandlungen und Dichterhäuser besucht, und dann war sie auf einmal nicht mehr da.
Die, die die hedonistischen Unvernünftigkeiten des Lebens mit solcher Grandezza zelebrierten, bekamen dann leider irgendwann die Kreditkartenabrechnung für verschlampte Sorgfalt für triviale Dinge wie die eigene Gesundheit. Doris. Werner. Michael. Ich vermisse euch alle entsetzlich und schaffe es nicht, werde es nie schaffen, die Telefonnummern aus meinem Kontaktverzeichnis zu löschen. Danke, dass ihr mein Leben so viel bunter gemacht habt.
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