
Polly Adlers Kolumne: Wenn Bügelkurse plötzlich göttlich werden
Ein vermeintlicher Bügelkurs entpuppt sich als Bibelmission – und wird zum Party-Hit.
Es schnarrte die Klingel. In der Gegensprechanlage meldete sich eine auf Optimismus gebürstete Stimme mit folgenden Worten: „Grüß Gott! Ich möchte Ihnen gerne einen kostenlosen Bügelkurs anbieten. Darf ich herauf kommen?“ – „Sehr freundlich von Ihnen. Aber Bügeln halte ich in der Regel für pure Zeitverschwendung. Ich bin Typ Last-Minute-Steamer. Aber es gibt sicher Menschen, die ein so großzügiges Angebot närrisch freut.“
Nach einigem Hin und Her im Höflichkeitsbereich wurde die Stimme deutlich fordernder: „Ich höre doch, dass auch Sie dringend einen Bügelkurs gebrauchen könnten. So ein Bügelkurs könnte Sie ins Licht führen, zu Gott.“ – „Hören Sie“, glitt ich unausweichlich in die Duftnote „unwirsch“, „glauben Sie allen Ernstes, dass Gott keine anderen Probleme hat, als meinen Bügel-Fähigkeiten? Ganz unter uns: Ich glaube fast, dass der Punkt auf seiner Erledigungsliste eher weit hinten steht.“
Knapp bevor es zu einem Ansichts-Crash gekommen wäre, klärte sich das Missverständnis auf: Die Dame wollte mich tatsächlich nicht hinters, sondern ins Licht mit Hilfe eines Bibelkurses führen. Ich war ihr ewig dankbar, denn die Story war der Kracher bei Dinnerpartys, von denen es jetzt mit Saisonstart wieder die besten gibt. Man braucht keinen Bibelkurs, wenn man „gay friends“ hat, die kochen können, ihre Tische so fantasievoll decken, dass jederzeit ein Casa Vogue-Team für ein Shooting rein brettern könnte, und man unter Gejohle den Klatsch der letzten Wochen reflektiert.
Natürlich turnen wir auch auf der Metaebene und werfen die G’scheithosen an, wie man im Ausseerland jene Gesprächspartner bezeichnet, die anstrengend intellektuell sind. Aber das nur die ersten 45 Minuten. Maximal. Was es jetzt noch zu klären gilt: Bin ich auf dem Weg in Richtung Neuroth und demnächst harthörig? Oder leidet das Bibel-Fräulein an höchst undeutlicher Artikulation? Wahrscheinlich letzteres.
Wie bitte? Was haben Sie gesagt?
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