Paradoxer Politauftritt

Eine "persönliche Erklärung", um zu verkünden, was man fortsetzen, und nicht, was man beenden will, ist 2022 ein echter PR-Coup
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Der Mensch ist lernfähig (in gewisser Weise). Daher weiß inzwischen jedes Kind, dass die populäre Politsprech-Phrase: „XY gibt eine persönliche Erklärung ab“ auf gut Bühnendeutsch heißt: „Geht ab“.

Insofern kam die gestrige „persönliche Erklärung“ der Arbeiterkammer-Präsidentin einem PR-Coup gleich: Renate Anderl gab nicht ihren Rücktritt, sondern ihren neuerlichen Antritt bekannt. Und das führte zu kuriosen Schlagzeilen, wie: „Kein Rücktritt!“. Bereits die Ankündigung von Anderls Pressetermin hatte die Austria-Presseagentur (und nicht nur diese) orakeln lassen: „In der österreichischen Innenpolitik zeichnet sich der nächste Personalwechsel ab ...“

Wenn Anderls Paradox-Strategie Schule macht, werden womöglich bald Erklärungen der Opposition abgehalten, was an den Regierungsplänen unterstützenswert sei und Erklärungen der Regierung, welche Vorschläge der Opposition man ernsthaft prüfe. Und irgendwann hätten wir dann statt des irrationalen Knieschuss’ einen nationalen Schulterschluss, weil in der Krise ohnehin niemand ein Multistaatsorganversagen braucht. Aber das würde ja bedeuten, dass der Mensch lernfähig ist ...

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